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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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bin müde!«
    Prue tastete im Finsteren nach Annas Mantel. Ihre Angst wurde mit jeder Minute größer. Bis auf das Knebeln der Kinder gab es kaum etwas, das sie gegen den Lärm unternehmen konnte. »Wir müssen leise sein, mein Schatz. Kannst du Prue den Gefallen tun?«
    Edgar ließ nicht locker. »Warum müssen wir weg?«
    »Na ja … es ist eine Überraschung … für Dad.«
    »Was für eine Überraschung?«
    »Das wirst du schon noch sehen«, flüsterte Prue.
    Die Quengelei ging weiter.
    »Willst du nicht deine Mommy sehen?« fragte Prue.
    Edgar war plötzlich still.
    »Deine Mommy?«
    »Ist sie bei dir zu Hause?« fragte Anna.
    »Noch nicht, aber bald«, flüsterte Prue. »Sehr bald. Kommt jetzt … probieren wir mal, wie leise wir sein können.« Prue führte die beiden die Böschung hinauf zur Senke und schreckte jedesmal hoch, wenn unter ihren Füßen ein Zweig brach. Sobald sie in das Rhododendrendickicht kamen, war es dermaßen dunkel, daß Prue den Weg aus dem Gedächtnis finden mußte.
    »Ich hab Angst«, sagte Anna und klammerte sich an Prues Hand.
    »Schon gut, mein Schatz. Es wird gleich wieder heller.«
    Das Kind begann laut zu weinen.
    »Anna … bitte, mein Schatz … es passiert dir doch nichts. Edgar, sag deiner Schwester, daß sie keine Angst zu haben braucht.«
    Schweigen.
    »Edgar?«
    Keine Antwort.
    »Edgar! Mein Gott … Edgar, wo bist du?«
    Anna brach in lautes Schluchzen aus. Prue kniete nieder, nahm sie in die Arme und streichelte ihr über den Kopf. »Psst … es ist ja nichts passiert, mein Schatz … es ist ja nichts passiert. Wir müssen Edgar nur suchen, das ist alles.«
    »Edgar!« rief sie mit gedämpfter Stimme.
    »Wo seid ihr?« war ein kleines Stimmchen zu hören.
    »Hier drüben«, sagte sie und bemerkte gleich, daß die Ortsangabe nicht viel nützte.
    »Wo?« schrie das Kind.
    »Geh auf meine Stimme zu, mein Schatz.«
    Sie war erleichtert, als sie hörte, daß sich etwas durch das Unterholz bewegte. Doch dann fiel ihr das Tempo auf, mit dem dieses Etwas näher kam. Ein Zweig knackte und klatschte ihr ins Gesicht. Sie und die kleine Anna schrien gleichzeitig auf, als ein unsichtbares Wesen durch die Sträucher brach, sie zu Boden warf und ihr seine große feuchte Zunge ins Ohr stieß.
    »Vuitton!«
    Aus lauter Dankbarkeit, daß er wieder bei seinem Frauchen war, bellte der Wolfshund aufgeregt. In ihrer Bestürzung über Luke hatte Prue ihn völlig vergessen.
    »Es ist bloß mein Hundchen«, sagte sie zu Anna. »Ist dir auch nichts passiert, mein Schatz?«
    »Ich will zurück«, schluchzte das Kind.
    »Es wird alles gut … das versprech ich dir. Edgar … bist du das?«
    Eine kleine Hand klammerte sich an ihr Bein.
    »Ist das dein Hund?« fragte Edgar.
    »Ja, mein Schatz. Er ist ein netter Hund.« Sie nahm die Kinder an die Hand und stand schwankend auf.
    »Jetzt kann uns nichts mehr passieren.«
    Wo war überhaupt das nächste Telefon?
    Am de Young Museum?
    Wenn Luke nach Halcyon Hill unterwegs war, sollte jemand Frannie Halcyon warnen.

So ein Quatsch
    Es war fast neun Uhr abends, als Emma bei ihrer Herrin nach dem rechten sah und feststellte, daß etwas nicht stimmte.
    »Miss Frannie?«
    Die Matriarchin sah mit halb geschlossenen Lidern zu ihr hoch – ein Zeichen, das Emma schon vor langer Zeit zu interpretieren gelernt hatte. »Ja … Emma, meine Liebe?«
    »Ich hab Ihnen heiße Milch gebracht«, sagte das Hausmädchen grollend. »Ich hab gedacht, Sie brauchen vielleicht was zum Einschlafen.«
    »Ach so … nein danke, Emma.«
    Das Hausmädchen stellte das Tablett auf die Frisierkommode und ging näher ans Bett. »Harn Sie wieder die Tabletten genommen?«
    Schweigen.
    Emma schob ärgerlich die Unterlippe vor. »Geben Sie mir eine Antwort, Miss Frannie!«
    Die Matriarchin schaute weg. »Miss DeDe hat gesagt, ich soll!«
    »Wo ist sie?«
    »Wer?«
    »Die Flasche. Wieviel ham Sie genommen?«
    »Nur drei … wie beim Aspirin.«
    »Das is kein Aspirin, Miss Frannie! Sie geben mir jetzt die Flasche, einverstanden?«
    Die Matriarchin deutete mit einer fahrigen Handbewegung zum Nachttisch. »Es waren die letzten. Mir geht’s gut … wirklich. Machen Sie sich keine Sorgen, meine Liebe.« Ihr klägliches kleines Lächeln wurde von der Träne, die ihr übers Gesicht lief, Lügen gestraft.
    Emma schaute ihre Herrin böse an, setzte sich dann aber auf die Bettkante und griff nach ihrer Hand. »Was ist los?« fragte sie freundlich.
    »Emma … ich kann nicht …«
    »Und ob Sie können.

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