Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
Vom Netzwerk:
und Wehmut dachte Michael an seine erste Zeit mit Jon, als sie sich in solchen Situationen ähnlich linkisch benommen hatten.
    »Ach, laß mal«, sagte Ned lachend. »Sie haben kein Zelt. Irgendwann müssen sie auch mal für sich sein.«
    »Und sie stehn ja so auf dem Schlauch« ,ergänzte Douglas.
    Gary warf ihm im Hinausgehen einen freundschaftlichen drohenden Blick zu. »Das wirst du mir büßen.«
    »Was meint er denn?« fragte Scotty, als das Pärchen draußen war.
    Douglas schmunzelte. »Gary hat Gummis mitgebracht.«
    »Was?« sagten die anderen drei wie aus einem Mund.
    Douglas zuckte mit den Schultern. »Man spricht nicht umsonst von einer Krise …«
    »Na gut, aber …« Scotty verhaspelte sich beinahe. »Vergiß es. Ich will ja gern meinen Teil beitragen … aber so was?«
    Ned setzte sein geheimnisvolles Grinsen auf. »Ich persönlich finde sie irgendwie lustig.«
    »Wieso?« wollte Douglas wissen. »Weil sie dich an Heteros erinnern?«
    »Marines«, schmückte Paul die Idee seines Liebhabers aus.
    »In meinen Phantasien kommen keine Heteros vor«, sagte Ned rundheraus. »Ich hab noch nie einen Schwanz gelutscht, der nicht schwul war.«
    »Was ist dann so toll an ihnen?« fragte Scotty. Sein linker Fuß lag noch immer in Neds Händen.
    »An Schwänzen?« frage Ned.
    »Gummis«, sagte Scotty grinsend.
    »Na ja …« Neds nußbraune Augenbrauen zogen sich zusammen. »Die Dinger haben was von Unterhosen.«
    »Calvin-Klein-Präser«, sagte Paul.
    Alle lachten.
    »Warum haben sie was von Unterhosen?« hakte Scotty nach.
    »Na … hast du noch nie einem Typ gesagt, er soll seine Jockey-Shorts wieder anziehen, weil es so heiß aussah?«
    »Doch, klar, aber …«
    »Und zwischen dir und diesem unglaublichen Schwanz war nur noch ein dünnes kleines Stück weißer Baumwollstoff. Ja … so ähnlich ist es auch mit Gummis. Sie sind dir im Weg und lassen dich nicht alles auf einmal haben. Das kann die absolute heiße Tour sein.«
    Scotty verdrehte die Augen. »Es sind Luftballons, Ned. Mach dir nichts vor. Und es werden immer Luftballons sein. Die Dinger sind lachhaft, und sie sind für Stecher. «
    Weiteres Gelächter.
    »Ich weiß noch«, steuerte Douglas bei, »wie auf den Präserautomaten stand: ›Nur zur Verhütung von Krankheiten‹.«
    Paul sah seinen Liebhaber an. »Steht doch immer noch drauf, Dummerchen.«
    »Aber sie haben ›Krankheiten‹ immer weggekratzt und ›Babies‹ hingeschrieben. Jetzt nehmen sogar Heteros die Dinger nicht mehr.«
    »Klar tun sie das.«
    »Tun sie nicht. Sie nehmen die Pille oder lassen sich sterilisieren oder so.«
    Während Douglas und Paul ihren halbherzigen Streit fortsetzten, signalisierte Michael seinem Partner, daß er schlafen gehen wollte. Er schlüpfte hinaus und steuerte sein Zelt an. Er vermied es, auch nur mit einem flüchtigen Blick die Anhöhe zu streifen, wo Roger und Gary kampierten. Als er fast schon am Ziel war, hörte er eine Stimme.
    »Bist du das, Michael?« Es war Gary.
    »Mhm.«
    »Komm doch rüber«, sagte Roger.
    Er tastete sich durch die Dunkelheit, bis er den Pfad fand, der auf die Anhöhe führte. Im Mondschein erkannte er die Gesichter der beiden. Sie hatten den umlaufenden Reißverschluß eines Schlafsacks aufgezogen und sich damit zugedeckt. »Siehst du«, sagte Roger grinsend, »wir haben uns nicht zum Ficken abgesetzt.«
    »Muß an den Pilzen liegen«, sagte Gary. »Wir erzählen uns Schauergeschichten. Es ist richtig schön hier oben. Warum holst du nicht deinen Schlafsack und legst dich zu uns?«
    Er schaute hinunter zur dunklen Kuppel seines Zweimannzelts, das leer unterm Sternenhimmel stand. »Ich glaube, das Angebot nehme ich an«, sagte er.
    Als Gary die Geschichte von dem Mann mit der Eisenklaue erzählt hatte, schliefen sie alle drei ein.
    Michael hatte einen Traum, in dem er wieder oben am Steilhang über dem Lagerplatz war, nur daß diesmal Jon neben ihm kniete. »Schau«, flüsterte Jon. »Schau mal, wer da unten ist.« Mona war aus einem der Zelte gekommen – so winzig, daß man sie kaum erkennen konnte. Michael winkte und winkte, doch sie sah ihn nicht und blieb kein einziges Mal stehen, als sie in die Wüste hinausging und verschwand.

Wiedersehen mit Mona
    Seattle war Mona einst als Rentnerparadies für alte Hippies erschienen. Das Klima war gemäßigt, wenn auch feucht, politisch gab man sich liberal, und ein erstaunlich großer Teil der Einwohner fand an Makramee noch immer Gefallen. In all der Zeit, die Jane Fonda gebraucht

Weitere Kostenlose Bücher