Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
ins berühmte Theater an der Wien gehen. Es gibt die unbekannten Galerien ums Eck und bekannte in der Schleifmühlgasse, die Ausstellungen des Hofmobiliendepots, Buchhandlungen in der Mariahilfer Straße, Antiquariate auf der Rechten Wienzeile, die Secession und natürlich das Museumsquartier – mit den Enzis, um sich zu erholen von der Kultur. Nicht alles davon wird Maribel zusagen, sicher wird sie sich niemals alles ansehen. Aber es ist da. Steht der Stadt, den Städtern und den Besuchern zur Verfügung. Gefallen muss einem nicht alles, denn, wie Richard Sennett sagt: »Unterschiede sind nicht dazu da, dass man sie überwindet.«
Und wer glaubt, dass dieses überbordene Angebot der Stadt, all die Menschen und das Gewusel, krank machen muss, der kann sich entspannen: Studien zeigen, dass das Landleben nicht robuster macht und das Leben in der Stadt nicht per se kränker. Wie viel besser der Städter aber dran ist, wenn ihn mal ein Zipperlein plagt oder gar eine richtige Krankheit ereilt, darum wird es im nächsten Kapitel gehen.
Meine Stadt und ich
Oliver Hartung, 39 Jahre, lebt seit ein paar Jahren mit seiner Freundin im Nordosten von Leipzig in einer Mietwohnung.
■ Warum leben Sie in der Stadt?
Das hat verschiedene Gründe, zum einen bin ich Künstler und brauche eine Umgebung, in der viel passiert. In der Stadt kann ich Kunst sehen und Kunst machen. Hier gibt es einen Austausch und vor allem viele Kontakte. Zum anderen ist es eben auch die Adresse: In der Stadt zu wohnen hat als Künstler einen anderen Stellenwert als ein Leben auf dem Dorf. Berlin und Leipzig sind auch so was wie Marken.
■ In welchen Momenten empfinden Sie es als Glück, in der Stadt zu leben?
Anonymität ist da zum Beispiel ein Punkt. Ein anderer ist, dass es immer was zum Entdecken gibt und dieses Entdecken auch nie erledigt sein wird, wie auf dem Dorf zum Beispiel. Die Stadt ist immer im Wandel, hier kann man immer etwas finden.
■ Haben Sie einen Lieblingsort in Ihrer Stadt?
Ich mag Parks und innerstädtische Wasserwege, zum Beispiel zum Kanufahren oder Rudern. Der schönste Park ist für mich der Clara-Park im Süden von Leipzig.
■ Ist denn Ihre Stadt auch Ihre Lieblingsstadt?
Ich habe mal zwei Jahre in London gelebt, das ist schon eine richtig tolle Stadt, aber ich mag Leipzig sehr gern.
■ Wie (er)leben Sie Nachbarschaft?
Aktuell ist das nicht so gut. Wir leben in einem Haus, in dem einige Wohnungen leer stehen. Hier wohnen auch viele Hartz-IV-Empfänger oder Alkoholiker. Aber das Gegenteil war in unserer alten Wohnung der Fall; dort war das Leben studentischer. Das nachbarschaftliche Zusammenleben ist also abhängig vom Niveau der Leute, die um einen herum leben.
■ Was fehlt Ihnen in Ihrer Stadt?
Momentan nichts.
■ Wann hängt Ihnen die Stadt so richtig zum Halse raus?
Wenn hier eine provinzielle Mentalitätsgrenze erreicht ist.
■ Wie würde für Sie das ideale Leben in der Stadt aussehen?
Ein idealer Stadttag sieht so aus, dass ich viel zu tun habe und im positiven Sinn ausgefüllt bin mit Dingen, die ich einfach gern tue. Dann muss das Wetter gut sein, damit ich mit dem Rad unterwegs sein kann.
■ Was müsste die Gesellschaft oder die Politik tun, damit die ideale Stadt entstehen kann?
Die Frage ist nicht, was die Politik für die Stadt tun soll, sondern für das Land.
■ Fördert das Zusammenleben in der Stadt Ihrer Meinung nach die Toleranz – oder ist eher das Gegenteil der Fall?
Ja, weil zum Beispiel das Zusammenleben mit Migranten irgendwann zur Normalität wird.
■ Wenn Sie schon auf dem Land gelebt haben: Was war dort schön – und was war schrecklich?
Ich komme aus Ulm aus einer Neubausiedlung; zum Aufwachsen war das prima. Jetzt fände ich ein Leben auf dem Land eher schwieriger.
■ Tragen Sie sich mit der Überlegung, irgendwann (wieder) aufs Land zu ziehen?
Jetzt nicht, aber vielleicht in zehn bis zwanzig Jahren.
■ Welches neue Projekt in Ihrer Stadt sollten andere Städte sich zum Vorbild nehmen?
Was sich andere Städte nicht zum Vorbild nehmen sollen, wären zum Beispiel Großprojekte wie in Leipzig der S-Bahn-Tunnel. Was Leipzig gut macht, ist, dass schwierige Viertel aufgewertet werden, indem zum Beispiel Parks oder Sportanlagen gebaut werden. Die Kehrseite sind andererseits die überrenovierten Viertel, die es ja auch in Berlin gibt.
■ Wenn Sie heute ganz frei wählen könnten, ohne wirtschaftliche oder familiäre Zwänge: Wo und wie würden Sie leben wollen?
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