Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
und so endet die Heimfahrt von der Disco oder dem Schützenfest viel zu oft im Straßengraben oder am Alleebaum.
Ohnehin haben Stadtbewohner ihre Promillegrenze von klein auf besser im Griff. Der Hamburger Suchtforscher Theo Baumgärtner hat Krankenhausstatistiken analysiert und festgestellt, dass in ländlichen Regionen wesentlich mehr junge Menschen so sternhagelvoll eingeliefert werden, dass sie stationär behandelt werden müssen. Alkoholintoxikation lautet der medizinische Fachbegriff für die dörflichen Trinkgelage mit dem bösen Ende.
Claudia Metzler von der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen wiederum hat den Alkoholkonsum von Realschülern aus Köln und aus der Eifel verglichen. Ihr Ergebnis: Die Landschüler beginnen wesentlich früher zu trinken, sie bechern mehr und regelmäßiger – vom Bier über Wein bis zum harten Schnaps. So gaben von den Siebtklässlern aus der Eifel 80 Prozent an, im vergangenen Jahr regelmäßig getrunken zu haben, bei den Kölnern waren es nur etwa 30 Prozent. Und auch wenn die Großstädter mit zunehmendem Alter ihr Level steigerten, erreichten sie bei Weitem nicht das Promilleniveau der Jugendlichen vom Land; nur halb so viele hatten sich in einen Vollrausch gesoffen.
Metzlers Begründung für den unterschiedlichen Alkoholkonsum: Während die Stadtjugend reiche Auswahl an abendlichen Vergnügungen hat, ist die Freizeitkultur der Dorfgemeinschaften durch unzählige kleine Feste geprägt, die für viele Jugendliche die einzige Möglichkeit sind auszugehen. »Seitens der Veranstalter gibt es dort keine oder nur halbherzige Kontrollen bezüglich des Alters der Besucher. Wird den Jugendlichen der Kauf von Alkohol und Zigaretten an der Theke verweigert, werden sie von älteren Freunden oder Bekannten damit versorgt. Kontrollen durch die Polizei betreffend der Einhaltung des Jugendschutzgesetzes finden kaum statt.« In der Stadt ist das anders: Die Kontrollen durch Ordnungsorgane seien wesentlich stärker, weshalb die Betreiber von Diskotheken, Klubs oder Kneipen das Jugendschutzgesetz schon allein aus Selbstschutz strenger beachten.
Beim Konsum illegaler Drogen sind die Kölner laut Metzler allerdings früher dran als ihre Landfreunde, kommen sie doch wesentlich einfacher an das Zeug ran; vorzugsweise an Haschisch, Marihuana und Kokain. Die Schüler aus der Eifel wiederum können sich leichter Amphetamine, Aufputschmittel und Schnüffelstoffe besorgen. Besorgniserregend scheint der Konsum weder unter den Kölner noch unter den Eifel-Realschülern zu sein – zumindest waren illegale Substanzen unter beiden Jugendgruppen nicht annähernd so populär wie Alkohol.
Landeltern, die glauben, dass soziale Trends aus Amerika mit ein paar Jahren Verspätung in Deutschland eintreffen, wird ein 300 Einzelstudien umfassender US-Bericht über den »Substanzkonsum« von Teenagern ohnehin zum Umzug in die Stadt bewegen. Befragungen zufolge verhalten sich Jugendliche aus amerikanischen Metropolen im Vergleich zur gleichaltrigen Countryjugend wie harmlose Schäfchen. Letztere waren doppelt so oft betrunken, rauchten doppelt so viel Zigaretten und warfen sich auch deutlich mehr Drogen ein. So übertraf ihr Konsum bei Marihuana den der Großstädter um ein Drittel, bei Kokain um die Hälfte, bei Crack um 83 und bei Amphetaminen um 104 Prozent. Die Dealer in den USA haben es ganz offensichtlich geschafft, ihre Drogen flächendeckend unter den Landteenies zu verteilen, wohingegen die Stadtkids lieber andere Hobbys pflegen.
Überraschung 3: Städter ernähren sich gesünder
Auch ernährungstechnisch führen Großstädter das gesündere Leben, sprich: Sie essen weniger Fleisch und insbesondere weniger Gepökeltes. Warum sich auch jeden Mittag oder Abend Schnitzel, Würste oder Schweinshaxe in den Bauch schlagen, wenn alternativ Pasta, frische Wok-Pfannen oder vegetarische Gerichte geboten sind, im Restaurant, als Fastfood oder zu Hause? Sogar der Chefredakteur des Fleischfreunde-Magazins Beef stellt anerkennend fest, dass sich die Speisekarten der Metropolen in den vergangenen Jahren grundlegend verändert haben. »Die Fleischgerichte sind weniger geworden, die Portionen kleiner. Früher bedeutete vegetarisch bestellen automatisch Salat essen. Heute werden auf jeder Karte drei, vier, fünf Gerichte angeboten, ganz egal ob Gasthof oder gehobene Gastronomie.« In einem klassischen Landgasthof können Fleischmuffel oder Vegetarier von so einem Angebot nur träumen.
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