Stadtmutanten (German Edition)
Hand auf meine gesunde Schulter und musterte mich besorgt. Als das Kribbeln nachließ, drehte ich mich zu ihr um und sah sie an. Ihre Augen waren geweitet.
»Was hast du?«
»Deine Schulter.«
»Ich weiß, sieht nicht so lecker aus.«
»Nein! Sie hat sich verändert.«
»Ich weiß, schon gut.«
»Nein, nicht so! Schau doch selbst; im Flur ist ein Spiegel.«
Also schlurfte ich zum Spiegel bei der Garderobe und schaute mich an. Ich war perplex. Die Veränderungen an meinem Körper nahmen rapide ab. So rapide, dass ich den Vorgang beobachten konnte.
»Ben, das musst du dir ansehen!«
Ben stand schon hinter mir. Grinsend hielt er seine verletzte Hand hoch.
»Fast wieder normal. Dafür tut die Wunde wieder weh.«
»Alter, das kann doch nicht nur von dem Koks kommen!«
»Scheint aber so.«
»Verfickte Scheiße.«
»Du sagst es.«
Fünf Minuten später waren wir wieder auf der Straße. Wenn auch nicht gerade gut gelaunt, so doch gelöst. Die Nacht war jung und wir waren am Leben. Und es schien, als könnte sich alles noch zum Guten wenden.
5 EINE NACHT IM BUNKER
Wir bewegten uns vorsichtig durch die Nacht. Die Straßen waren weitgehend leer. Hinter den Fenstern konnte man vereinzelt Menschen weinen hören, hier und da wurde laut diskutiert. Einmal hatten wir den Eindruck, Geräusche eines Kampfes zu hören. Im Gros blieb es aber ruhig. Wenn wir doch jemanden auf der Straße sahen, versteckten wir uns in Häusereingängen oder hinter Bäumen und Autos. Wir näherten uns der Waller Heerstraße schließlich durch den Spielplatz gegenüber des Walle Centers. Versteckt unter den Bäumen am Rande des Geländes wagten wir einen Blick auf die Straße. Polizei und Militär hatten Wachen und Straßensperren aufgestellt. Damit war der Weg zu Bens Gästewohnung zumindest für diese Nacht blockiert. Wir mussten eine andere Bleibe finden. Widerstrebend bot ich meine Wohnung als Unterschlupf an. Mir war bewusst, dass all die Erinnerungen an Kai und Katie den Schmerz in meinem Herzen vertiefen würden, aber uns gingen die Optionen aus.
Der Weg zu meiner Wohnung beinhaltete die Überquerung des Waller Rings, was uns gefährlich nah an den Tumult an der Waller Heerstraße brachte. Wir taten dies auf Höhe der Vegesacker Straße, um danach in eine der vielen kleinen Nebenstraßen auf der anderen Seite des Rings einzutauchen. Ich mochte diese Straßen, weil die meisten von ihnen nach ostfriesischen Orten benannt waren, was mich an meine ostfriesischen Wurzeln erinnerte. Als wir gerade mitten auf der Straße waren, entwickelte sich quasi aus dem Nichts ein heftiger Tumult aus Richtung der nahen Kreuzung zur Waller Heerstraße. Es entstand eine ähnliche Situation, wie wir sie schon zweimal beobachtet hatten, nur dass der Ton inzwischen schärfer geworden war: Ein Kleinbus raste in die Straßensperre auf der großen Kreuzung. Der Fahrer sprang aus dem Wagen und suchte Schutz bei den Einsatzkräften, die ihn auf der Stelle niedergeknüppelten und abführten. Der Wagen wurde umstellt. Dann geschah etwas Unerwartetes: Die Einsatzkräfte wirbelten herum und brüllten etwas in Richtung Waller Heerstraße stadtauswärts.
Und dann kamen sie:
Eine erstaunlich große Gruppe von Beißern schlurfte auf die Kreuzung zu. Erste Warnschüsse fielen, dann erreichte die Meute die Kreuzung. Es entstand ein chaotischer Kampf, bei dem schließlich auch scharf geschossen wurde. Als aus ein paar Hauseingängen in unserer Richtung Schaulustige auftauchten, verlagerte sich der Tumult. Eine Gruppe von Beißern hatte es sich anders überlegt und machte nun Jagd auf leichtere Beute. Auf gut Deutsch: Sie torkelten genau in unsere Richtung.
Wir nahmen die Beine in die Hand und rannten über die Straße, doch aus dem Ostfriesenviertel kamen ebenfalls torkelnde Gestalten.
Verdammt!
Wir machten sofort kehrt und rannten den Waller Ring entlang, bloß weg von der Kreuzung. Auf der rechten Straßenseite ging die Tür des dort stehenden Bunkers auf und ein übernächtigt aussehender junger Mann kam heraus. Er ging die Treppe herunter, steckte sich eine Zigarette an, nahm einen Zug. Dann erstarrte er und ließ die Kippe fallen. Wir rannten auf ihn zu. Als wir in Hörweite waren, begannen wir wild durcheinander zu rufen. Er war entweder zu schockiert um wegzulaufen, oder er hatte tatsächlich herausgehört, dass wir ihn um Hilfe baten. Jedenfalls blieb er, wo er war. Wir blieben keuchend vor ihm stehen. Verblüfft starrte er uns
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