Stählerne Schatten
aber als »Multiplikator» war jeder dieser Tanker, die Flugzeuge von Luftwaffe, Marine und Marinekorps sowie viele ausländische Muster betanken konnten, hundert Maschinen wert – Zu wertvoll, um über feindlichem Gebiet aufs Spiel gesetzt zu werden. Scotty ließ sich allerdings davon nicht beirren.
Verdammt, sagte Sheila sich im stillen, das hat er mit Absicht gemacht! Er hat gewußt, daß sein bisheriger Lebensstil sich mit der Geburt des Babys ändern würde: keine Abkommandierungen, keine wochenlangen Aufenthalte in exotischen Weltgegenden, keine Geheimunternehmen und keine mitternächtlichen Anrufe mehr, nach denen hastig Koffer gepackt wurden – manchmal mit Winterkleidung, während es draußen dreißig Grad heiß war. Er hat noch mal Aufregung gesucht, noch mal den Helden gespielt, weil er wußte, daß er in Zukunft ein regelmäßigeres, langweiligeres Leben würde führen müssen.
Der Geschwaderkommandeur führte sie in sein Dienstzimmer und rückte ihr einen Sessel zurecht. Den Militärpfarrer und den Staffelchef kannte sie natürlich, deshalb kam sie gleich zur Sache: »Scotty… ist tot?«
»Seine Maschine ist durch einen noch ungeklärten katastrophalen Defekt über dem Golf von Oman abgestürzt«, antwortete der Geschwaderkommandeur. »Überlebende hat es keine gegeben. Mein tiefempfundenes Beileid, Oberleutnant.«
Sheila wollte nicht weinen, aber die Tränen kamen trotzdem, und sie saß gegen ihren Willen schluchzend da. Sie konnte nicht mehr aufhören, bis sie mitbekam, wie der Geschwaderkommandeur seine Sekretärin bat, einen Krankenwagen anzufordern, der vor dem Stabsgebäude warten sollte.
Das wollte sie erst recht nicht, deshalb hörte sie zu weinen auf.
»Ein… ein katastrophaler Defekt, Sir? Welcher Art? Vogelschlag? Verdichterausfall? Feuer an Bord?« Alle Anwesenden waren erfahrene KC-10A-Piloten – nur der Militärpfarrer nicht, aber sogar er war schon ein paar hundert Stunden mitgeflogen –, warum drückte er sich trotzdem so schwammig aus? Vermutlich wegen des Absturzes ins Meer, der praktisch keine Ermittlung der Unfallursache zuließ, weil die Trümmer auf dem Meeresboden verstreut lagen.
»Das wissen wir noch nicht, Oberleutnant… Sheila«, sagte der General. »Aber die Ermittlungen laufen.«
»Über dem Golf von Oman? Warum ist Scotty dort gewesen?« fragte Sheila. »Ich habe gehört, daß für unsere Flugzeuge eine fünfhundert Meter tiefe Sperrzone um den Iran herum eingerichtet worden ist. Was hat er dann über dem Golf von Oman zu suchen gehabt?«
Der Geschwaderkommandeur sah den Militärpfarrer an, der ihre Hand losließ und zur Seite trat. »Sheila, wir wollen uns jetzt bitte nicht darauf konzentrieren, wo Scottys Flugzeug abgestürzt ist, ja? Ich möchte, daß Sie wissen, daß wir alle mit Ihnen trauern und Ihnen helfen wollen, über diesen schweren Schicksalsschlag hinwegzukommen.«
»Dahinter steckt der Iran, nicht wahr?« fragte Sheila, deren Schmerz sich jetzt in eisigen Zorn verwandelte. »Was wir aus Washington darüber hören, wie großartig, wie wundervoll die Verhältnisse im Nahen Osten sind, ist alles nur gelogen, nicht wahr?«
»Oberleutnant… «
»Die Iraner haben ihn abgeschossen, nicht wahr, Sir?« erkundigte Sheila sich aufgebracht. »Mein Scotty ist mit seinem unbewaffneten, verwundbaren Tanker von den Iranern abgeschossen worden!«
»Oberleutnant, bitte, ich weiß, daß Sie erregt und durcheinander sind, und kann Ihnen das sogar nachfühlen, aber ich muß Sie bitten, Ihre Vermutungen für sich zu behalten.«
»Hoffentlich sind wir dort hingeflogen, um diese Terroristen in Grund und Boden zu bomben!« rief Sheila aus. Sanitäter kamen mit einer Tragbahre hereingestürmt und versuchten, Sheila zu beruhigen, aber sie spürte, daß es ihr guttat, ihren Zorn hinauszuschreien. »Hoffentlich hat mein Scotty mitgeholfen, diese verdammten iranischen Terroristen zu erledigen!
Hoffentlich müssen sie alle in der Hölle braten!«
Kapitel Fünf
REGIONALFLUGHAFEN BEGHIN, PROVINZ KERMAN
27. APRIL 1997, 2.06 UHR ORTSZEIT
Ein Gesetz schrieb vor, daß alle im Iran verkehrenden Flugzeuge vor Mitternacht gelandet sein und am Flugsteig stehen mußten. Auf dem Regionalflughafen Beghin im Landesinneren war die letzte Maschine schon gegen 22 Uhr gelandet; kurz danach war der Flughafen praktisch geschlossen, und bis zum nächsten Morgen würde sich dort nur Wartungs- und Reinigungspersonal aufhalten, Um zwei Uhr morgens wirkte er völlig verlassen…
… bis auf
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