Stählerne Schatten
daß seine Rasse erkennbar war. Je vier dieser Aufklärungssatelliten mit der Codebezeichnung Pacer Sky paßten in einen zweistufigen Booster ALARM mit Schwenkflügeln, und Masters’ umgebaute DC-10 konnte zwei dieser Booster in 40 000
Fuß Höhe einzeln ausklinken. Die DC-10 fungierte als erste Stufe der Booster, die dann bis 650 Kilometer Höhe erreichten und die Satelliten in den vorgesehenen Bahnen aussetzten. So konnte Masters jedem Oberbefehlshaber eines Kriegsschauplatzes binnen Stunden ein komplettes Netz mit Aufklärungs-, Überwachungs- und Fernmeldesatelliten zur Verfügung stellen.
Diesmal hatte Masters jedoch keinen staatlichen oder kommerziellen Auftrag, NIRTSats über dem Iran zu stationieren – ihr Einsatz erfolgte auf eigene Kosten.
»Der iranische Flughafen Beghin bei Kerman, rund zweihundertfünfzig Meilen nördlich von Bandar Abbas«, fuhr Masters fort. »Zwei Stunden nach dem Angriff auf die Trägerkampfgruppe Lincoln haben wir das hier photographiert.« Er richtete einen Laserzeiger auf den Monitor und drückte auf einen weiteren Knopf, um die beleuchtete Stelle zu vergrößern.
In der Vergrößerung war deutlich ein Flugzeug wie der amerikanische Bomber B-1B Lancer mit langem, spitzen Bug, schlankem Rumpf und eng angelegten Schwenkflügeln zu erkennen.
»Das ist euer Stützpunkt mit Bombern Tu-22M, Leute – der Flughafen Beghin. Zumindest ist das einer der Stützpunkte.«
Masters benützte die Zoomfunktion, um nochmals den gesamten Flughafen zu zeigen. »In diesen Hangars ist Platz für insgesamt sechs Bomber mit angelegten Tragflächen – jeweils zwei pro Hangar –, folglich fehlen uns noch mindestens sechs weitere Maschinen. Aber ich überwache Beghin jetzt ständig und bin weiter auf der Suche nach den restlichen Flugzeugen.«
»Danke, Jon«, sagte Generalmajor Brian Griffith, der Kommandeur der U.S. Air Force Air Intelligence Agency. »Gut gemacht!«
»War mir ein ausgesprochenes Vergnügen, Sir«, antwortete Masters sarkastisch. »Die Zieldaten sind über MILSTAR an McLanahan und Jamieson übermittelt, gleich in ihre Angriffscomputer eingegeben worden. In zehn Stunden sind die beiden über dem Ziel.«
Solche Rachsucht paßte eigentlich nicht zu dem jungenhaft aussehenden Wissenschaftler, fand Griffith, aber Masters hatte in letzter Zeit einiges durchgemacht und wäre beinahe ein Opfer der iranischen Kriegsmarine geworden. Dieser junge Mann hatte die Technologie, das Geld und den Drang, die Iraner dafür schwer büßen zu lassen.
RIVERSIDE, KALIFORNIEN
ZUR GLEICHEN ZEIT
Oberleutnant Sheila MacNichol kam eben zum viertenmal an diesem Nachmittag von der Damentoilette – ihr sechster Schwangerschaftsmonat schien aus immer häufigeren Toilettenbesuchen zu bestehen – und war auf dem Rückweg zum Stab des 722nd Air Refueling Wing, wo sie jetzt einen Schreibtischjob als rechte Hand des Kommandeurs hatte, weil sie nicht mehr wie bisher als Kopilotin einer KC-10A der Air Force Reserve fliegen durfte, als ihr der besorgte, fast ängstliche Blick der zivilen Sekretärin ihres Kommandeurs auffiel. Ihre Kehle war sofort wie ausgedörrt, das Baby strampelte, und sie fürchtete, ihre Knie könnten nachgeben.
Schon bevor die Sekretärin auf sie zukam, schon bevor sich die Tür des Dienstzimmers des Kommandeurs öffnete und der General mit blassem, ernsten Gesicht herauskam, schon bevor sie in seinem Dienstzimmer den Militärpfarrer und den Staffelchef sitzen sah, die sie betroffen anstarrten, wußte sie, was geschehen war – Scotty war tot.
Major Scott MacNichol, Sheilas Ehemann, gehörte zu den besten und erfahrensten KC-10A-Piloten der amerikanischen Luftwaffe: ein Veteran mit über vierhundert Einsätzen, davon einige über feindlichem Gebiet, ein pflichtbewußter, kenntnisreicher Flugzeugkommandant und Fluglehrer. Die ungeschriebene Regel »Niemals freiwillig melden!« galt nicht für Scotty – er meldete sich für alles freiwillig. Es machte ihm richtig Spaß, mit seinem dreihundert Tonnen schweren Tankflugzeug unter schlechtesten Platz- und Wetterverhältnissen die gefährlichsten Einsätze zu übernehmen.
Für seine Leistungen im Golfkrieg war er mit der Air Medal mit zwei Eichenlaubkränzen ausgezeichnet worden – äußerst ungewöhnlich für einen Piloten, der eigentlich nie über feindliches Gebiet fliegen sollte. Aber wenn es irgendwo Schwierigkeiten gab, flog Scotty den Maschinen, die er betanken sollte, weit entgegen. Weltweit gab es nur vierzig Tankflugzeuge KC-10A,
Weitere Kostenlose Bücher