Stählerne Schatten
Mündungen ihrer Waffen gesenkt – schußbereit, aber nicht bedrohlich.
Sobald der iranische Präsident seine Fassung wiedergewonnen hatte, nickte er den Unbekannten freundlich zu. »Herein, immer herein mit euch«, forderte er sie lebhaft auf. »Jeder platzt hier ungefragt herein, warum also nicht auch ihr? Sie sind bestimmt Araberin.« Nateq-Nouri sprach in fast akzentfreiem Arabisch weiter: »Und Ihr afrikanischer Freund? Vielleicht Libyer? Sudanese?«
»Wenigstens scheint er umgänglich zu sein«, sagte der Mann auf Englisch.
»Ah, ein Amerikaner!« stellte Nateq-Nouri mit blitzenden Augen fest. Er fuhr in ebenso gutem Englisch fort: »Willkommen in meinem Heim, junger Mann. Ja, Umgänglichkeit ist der einzige Luxus, den ich mir im Augenblick gestatten kann. Würden Sie mir freundlicherweise den Zweck Ihres Besuchs erklären? Sind Sie hier, um mich zu ermorden?«
»Ich sollte Sie tatsächlich dafür wegblasen, Arschloch, was Sie mit meinen Homeboys gemacht haben!«
»Ich verstehe Ihren amerikanischen Gettodialekt nicht gut, junger Mann, aber ich vermute, daß Sie als Untergebener von Oberst Paul White wegen der Umstände seiner Gefangennahme und Inhaftierung zornig auf mich sind«, sagte der iranische Präsident. »Ich habe Sie schon erwartet, obwohl ich eher mit einem brillanten Hightech-Angriff aufs Präsidentenpalais gerechnet hätte – mit Marschflugkörpern, Stealthbombern, Kipprotorflugzeugen und Gruppen durchtrainierter Commandos, die um sich schießend hereinstürmen, um das heldenhafte Rettungswerk zu vollbringen… oder werde ich vielleicht doch nicht enttäuscht?
Läuft dieses Unternehmen gerade ab?«
»Sagen Sie uns, wo Oberst White ist, Mr. President, dann passiert Ihnen nichts.«
»Passieren? Mein lieber Junge, ich bin praktisch schon so gut wie tot«, sagte Nateq-Nouri, Er lachte mit gespielter Unbekümmertheit. »Sie haben vermutlich gehört, was General Buschasi wollte. Sobald er den Code für die Atomwaffen an Bord der Khomeini hat, werde ich beseitigt. In seiner tolpatschigen Art wird er versuchen, meinen Tod als Unfall hinzustellen, aber das wird ihm natürlich keiner glauben.«
»Sagen Sie uns nur, wo Oberst White ist, Mr. President.«
»Ihr Oberst Paul White wird im Hauptquartier der Pasdaran in einem Vernehmungszentrum gefangengehalten«, antwortete Nateq-Nouri, »aber ich weiß offen gesagt nicht, Sir, ob er noch lebt.«
»Dann müssen wir das eben selbst feststellen – und sollte er nicht mehr leben, würden wir das sehr ungünstig aufnehmen«, sagte Briggs kalt. »Können Sie seinen Aufenthaltsort nicht genauer beschreiben, Mr. President?«
»Nein, leider nicht«, gab Nateq-Nouri zu. »Meines Wissens verhören die Pasdaran ihre Gefangenen mit Hilfe von Drogen im sogenannten ›Krankenrevier‹ im Keller ihres Hauptquartiers, aber ich weiß nicht, ob White dort hingebracht wurde.«
»Vielleicht könnten Sie nach ihm fragen, Mr. President?«
schlug Behrouzi vor.
»Ich bin nie ein Favorit der Pasdaran gewesen«, sagte Nateq-Nouri, »aber im Hauptquartier gibt es ein paar Offiziere, die vielleicht noch mit mir reden.« Mit diesen Worten griff er nach dem Telefonhörer.
Briggs hob seine Uzi. »Keinen falschen Zungenschlag, Mr.
President«, sagte er warnend.
»Sie, Sir, sind im Augenblick meine geringste Sorge«, sagte der iranische Präsident mit kühlem Lächeln. Er wählte eine Nummer, sprach mit jemandem, wurde weiterverbunden, führte ein zweites längeres Gespräch und legte dann auf.
»Oberst White befindet sich tatsächlich im Hauptquartier der Pasdaran… im sogenannten Krankenrevier, Kellergeschoß A, Zelle A193. Er lebt und ist vielleicht sogar bei Bewußtsein.
Meine Freunde sorgen dafür, daß die Wachen dort unten für die nächste halbe Stunde anderweitig beschäftigt sind. Ich vertraue darauf, daß diese Zeit für eine Rettungsaktion ausreicht.«
Hal Briggs war vor Überraschung fast sprachlos. Er zuckte mit den Schultern, wechselte einen verwirrten Blick mit Riza und nickte dann. »Gewiß, Mr. President. Das müßte reichen.«
Nach kurzer Pause fragte er: »Sind Sie nicht in Gefahr, wenn General Buschasi das herausfinden sollte, Sir?«
»Das weiß ich nicht, junger Mann.«
»Hal… nennen Sie mich Hal, Mr. President«, warf Briggs rasch ein. Riza starrte ihn völlig verblüfft an: ISA-Agenten durften ihren wahren Namen nie preisgeben – aber irgendwie paßte das zu dieser bizarren Szene. Noch vor wenigen Minuten hätte Briggs diesen Mann am liebsten
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