Staerker noch als Leidenschaft
recht sein, Quin. Es ist deine Wahl.“
Sie konnte hören, wie er frustriert schnaubte, und war zufrieden mit sich, dass sie nicht nachgegeben hatte. Ein Punkt für mich, dachte sie. Früher hatte sie einen Spagat nach dem anderen vollführt, um ihren Tagesablauf seinem Terminkalender anzupassen.
Der Moment grimmiger Befriedigung endete allerdings abrupt, als Zoe in die Küche gerannt kam.
„Mummy, Mummy! Komm und schau, was sie im Fernsehen zeigen!“
Nicole schwang herum, sah ihre Mutter in der Tür stehen und warf ihr einen hektisch flehenden Blick zu.
Sofort wurde Zoe von ihrer Großmutter auf die Arme gehoben. „Ich komme und seh’s mir an.“
„Aber Mummy soll …“
„Pst, sei leise.“
Die Küchentür fiel hinter den beiden ins Schloss.
Der Schock saß Nicole tief in den Gliedern, die kindliche Stimme ihrer Tochter hallte noch immer in ihren Ohren. Hatte Quin diese Stimme auch gehört?
Prompt erfolgte die Frage am anderen Ende der Leitung. „Mummy? Wessen Kind ist das, Nicole?“
In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken, nervös suchte sie nach einem Ausweg. „Die Tochter von Freunden. Sie haben sie hergebracht, weil …“ Um die Lüge glaubwürdiger zu machen, schnaubte sie abfällig und fuhr scharf fort: „Aber das sollte dich nicht interessieren. Danke noch mal fürs Bescheidsagen. Bleibt es bei Freitag, oder wird der auch abgesagt?“
Sie hörte, wie er den Atem zischend durch die Zähne stieß. „Wir sehen uns“, sagte er barsch und legte auf.
Nicole hängte den Hörer in die Gabel zurück und ließ sich erschöpft auf die Küchenbank sinken. Das war knapp gewesen! Nur gut, dass ihr so schnell eine Ausrede eingefallen war.
Ihr wäre nie in den Sinn gekommen, Quin könne versuchen, sie zu Hause anzurufen. Hatte er früher ja auch nicht getan. Allerdings hatten sie damals auch sehr bald zusammengelebt und in derselben Bank gearbeitet. Zu den Besuchen bei ihrer Mutter war er ja nie mitgegangen.
Jetzt allerdings lagen die Dinge anders. Sie konnte ihm kaum einen Vorwurf aus seiner Höflichkeit machen. Nein, sie hätte sich mögliche Schwachstellen in dieser Vereinbarung besser überlegen und entsprechende Vorkehrungen treffen sollen.
Natürlich hätte er ihr per E-Mail eine Nachricht schicken können, aber da wusste man ja nie, wann die Nachrichten den anderen erreichten. Wenn man nicht den ganzen Tag vor dem Computer saß … Und heute hätte sie ihren PC ganz bestimmt nicht mehr eingeschaltet.
Nicole fühlte sich beschämt. Sie hatte an nichts anderes mehr denken können als an den Sex mit Quin. Schon wieder begann er, ihr Leben zu kontrollieren. Das durfte sie nicht zulassen, sie musste sich schützen.
Noch vierzehn Nächte.
Was, wenn ihr das nicht reichte?
Ärgerlich schüttelte Nicole den Kopf. Es war verrückt. Im Moment genoss sie ihre wiederbelebte Sexualität. Dafür war Quin perfekt, aber für nichts anderes. Wenn sie ihre Distanz verlor, würde sie sich nur Schwierigkeiten einhandeln. Und im Moment brauchte Zoe ihre Aufmerksamkeit.
Sie ging ins Wohnzimmer hinüber und fand ihre Tochter bei der Großmutter auf dem Schoß sitzen. Gemeinsam sahen sie sich eine Dokumentation über Fauna und Flora Australiens an. Für einen Moment blieb Nicole stehen und nahm das friedliche Bild der beiden Menschen in sich auf, die der Mittelpunkt ihres Lebens waren.
Die beiden waren das Sinnbild für Liebe, nicht Lust. Ohne die Hilfe und Unterstützung ihrer Mutter hätte Nicole die Zeit während Zoes Krankheit nie überstanden. Und dann Harrys Krebsdiagnose … Nicole konnte es ihrer Mutter kaum vorwerfen, dass sie alles Menschenmögliche versucht hatte. Linda hatte es aus Liebe getan. Es muss unerträglich gewesen sein, zwei geliebte Ehemänner zu verlieren. Nicole war vor fünf Jahren auch am Boden zerstört gewesen, als sie Quins Liebe verloren hatte.
Wir drei haben überlebt, dachte sie. Die drei Generationen unserer kleinen Familie.
Während der letzten Wochen hatte ihre Mutter sich zusammengenommen und wieder die Leitung der Tanzschule übernommen. Das Grau in ihren kurzen Locken hatte sie wieder in ihrem gewohnt schimmernden Braun gefärbt, und das attraktive Gesicht strafte ihre fünfundfünfzig Lebensjahre Lügen. Manchmal erhaschte Nicole noch diesen traurigen Ausdruck in den sonst lebenslustigen grünbraunen Augen, aber die schwere Depression nach Harrys Tod war endlich gewichen.
Was nun Zoe anbelangte … Zoe war ihr Sonnenschein, ein wunderbar gesunder Sonnenschein
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