Staerker noch als Leidenschaft
ließ sie Nicoles Finger los und deutete auf das Sofa. „Kommen Sie, setzen wir uns doch.“
„Kaffee, Nicole?“
Nicole sah zu Quin. Seine Augen schimmerten zufrieden. Also lief alles genau nach seinem Plan. Nur, welches Ziel verfolgte er mit diesem Plan? Sie unangemeldet seiner Mutter vorzustellen hatte sie überrumpelt. Sie spürte regelrecht, wie ihr die Kontrolle aus den Händen glitt. Was würde als Nächstes passieren? Im Moment blieb ihr gar nichts anderes übrig, als erst einmal alles auf sich zukommen zu lassen und den Abend so gut wie möglich hinter sich zu bringen. „Danke, gern“, antwortete sie ihm.
Wenigstens der Kaffee gehörte zu dem Ritual, das sich mittlerweile eingestellt hatte. Nach der ersten gemeinsamen Nacht hatte Nicole weitere Dinnereinladungen ausgeschlagen. Sie zog es vor, mit Zoe und ihrer Mutter zu Abend zu essen, bevor sie sich auf den Weg zu Quin machte. Dieses Dinner mit ihm hatte zu sehr nach einer richtigen Verabredung ausgesehen, und sie wollte den Deal als das belassen, was er war – eine geschäftliche Abmachung mit einer begrenzten Dauer.
Jetzt allerdings, so schien es ihr, war es angesichts Quins Versprechen, weit mehr als nur eine formlose Vaterrolle zu übernehmen, unmöglich geworden, eine andauernde Beziehung zu unterbinden. Dass er seine Mutter informiert und hergeholt hatte, war nur Beweis, wie ernst es ihm war.
Nicole ermahnte sich, nicht vorzugreifen. Nichts erwarten, auf nichts vertrauen, nichts als gesichert annehmen, sondern immer schön einen Schritt nach dem anderen. So setzte sie sich zu Evita Gallardo auf das Sofa.
Quin stellte die Tasche auf den niedrigen Tisch. „Wartet mit den Alben, bis ich den Kaffee bringe. Ich möchte nichts verpassen“, sagte er und verdeutlichte damit erneut, dass er schon genug verpasst hatte.
Als er in der Küche verschwand, wandte sich Nicole an Evita. Vielleicht bekam sie hier die Informationen, die Quin ihr immer vorenthalten hatte. „Sie sagten, der Name Sola sei mit Schande verbunden. Erklären Sie mir das, Evita?“
Evita seufzte schwer. Kein Zweifel, über eine Geschichte zu reden, die offensichtlich Anlass zu Kummer und Verbitterung gegeben hatte, bereitete ihr Mühe. „Mein Mann, Luis Sola“, setzte sie schließlich mit traurigen Augen an, „war ein sehr attraktiver, charmanter und intelligenter Mann. Jahrelang stand ich in seinem Bann, war überzeugt, dass er genau das war, was er vorgab zu sein. Doch er benutzte unsere Ehe dazu, um Verbindungen zu Leuten zu knüpfen, zu denen ihm sonst niemals Zutritt gewährt worden wäre. Reiche Leute, respektierte Leute, die er um viel Geld betrogen hat, darunter auch Mitglieder meiner Familie. Eines Tages verschwand er spurlos und ließ mich allein mit unserem Sohn und dem von ihm verursachten Skandal zurück.“
„Das muss sehr schwer gewesen sein“, murmelte Nicole mitfühlend.
„Für mich war es unerträglich.“ Evita schüttelte bedauernd den Kopf. „Aber für Joaquin war es noch schlimmer. Er war damals dreizehn und trug das Schandmal seines Vaters. Plötzlich war er von allem ausgeschlossen, Freunde in der Schule schnitten ihn, sogar die Familie wollte nichts mehr von ihm wissen. Er sieht Luis sehr ähnlich, da dachte jeder, dass er auch den Charakter seines Vaters in sich trägt und Schande über die Familie bringen wird.“
Nicole hörte fasziniert zu. „Aber Sie glaubten das nicht.“
„Ich kenne meinen Sohn, er ist ein echter Gallardo, durch und durch.“ Stolz leuchtete in ihren Augen auf. „Ich hielt es für besser, nach Australien umzusiedeln, als in Buenos Aires zu bleiben, wo ihm nur jeder misstrauen würde. Also kamen wir hierher, und Joaquin schwor, ihnen allen zu zeigen, wie sehr sie sich irrten.“
„Wie?“
„Indem er allen Betroffenen das unterschlagene Geld zurückzahlte.“
Also das war der Antrieb seines Ehrgeizes gewesen, so viel Geld wie möglich zu verdienen, dachte Nicole. Wie wenig sie doch über den Mann wusste, den sie einst geliebt hatte.
„Sobald wir hier ankamen, arbeitete er unablässig“, fuhr Quins Mutter in ihrer Erzählung fort. „Er studierte, erhielt ein Stipendium und machte seinen Abschluss an der Universität. Er wurde auch sofort bei einer angesehenen Bank angenommen. Er wollte lernen, wie man mit Geld noch mehr Geld verdienen konnte.“
„Er hat schnell ganz oben mitgemischt“, kommentierte Nicole trocken.
Evita nickte. „Als er Sie damals kennen lernte und aus dem Haus auszog, das mein Vater uns
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