Stahlfront 2: Versenkt die Hindenburg
Verkehrsmittel zu benutzen. Auch ein Taxi kam nicht in Frage.
Im Tempo eines Müßiggängers bewegte er sich über schmutzige Bürgersteige immer weiter nach Südosten Richtung Dahlem. Seine Verkleidung als »Südländer«, wie es der »politisch korrekte« Gegenwartsdeutsche so gerne formulierte, machte sich bezahlt. Obwohl Mitternacht längst vorbei und er allein unterwegs war, wagte es niemand, sich mit »Erol Bülbül« anzulegen. Es kam auch niemand auf die Idee, ihn »abzuziehen«.
Auf diesen Straßen war er Herr, nicht Opfer.
*
Zum dunkelsten Zeitpunkt der Nacht, kurz vor Morgengrauen, erreichte Magnus Wittmann die Podbielskiallee, die sich diagonal durch den Stadtteil Dahlem zog.
Allmählich erwachte die Großstadt. Die Gestalten, die sich jetzt schon mit müden Gesichtern zur Arbeit schleppten, waren ausnahmslos Deutsche.
Ebenso aufmerksam wie unauffällig sah er sich um. Nein, weder betont gleichgültig in der Gegend herumstehende Männer waren zu entdecken, noch Autos, die nicht hierhergehörten oder gar Aufbauten mit ungewöhnlichen Antennen hatten. Sein Ziel wurde nicht stärker überwacht als üblich.
Daß Thule recht gute Beziehungen zur Islamischen Republik Iran unterhielt, war den bundesdeutschen Geheimdiensten bislang verborgen geblieben.
Magnus klingelte am Eingang des Botschaftsgebäudes an der Ecke Podbielskiallee-Drygalskistraße. Dem Pförtner, der ihn ebenso verschlafen wie mißtrauisch anblickte, sagte er nur ein Wort: »Roxelena .« Das brachte Bewegung in den Mann.
Er öffnete die Tür, ließ Magnus ein und schloß sofort wieder ab. Drei bewaffnete iranische Sicherheitsmänner erschienen, durchsuchten Magnus und nahmen ihm Dienstwaffe sowie Bündellichtwerfer ab. Wortlos ließ er das über sich ergehen.
Dann führten sie ihn in ein Besucherzimmer, deuteten stumm auf einen Stuhl und gingen wieder hinaus. Deutlich hörte er, wie die Tür abgeschlossen wurde.
Sie war die einzige - und sie war massiv. Das Fenster hinaus in den Garten der Botschaft war vergittert.
Resigniert nahm Wittmann auf dem Stuhl Platz. Es nutzte nichts, seine Energie durch rastloses Hin- und Hergehen zu vergeuden. Das Kodewort »Roxelena« war eindeutig: Der Botschafter mußte sofort alarmiert, notfalls auch aus dem Schlaf geweckt werden, das besagte die Vereinbarung.
Aber nichts geschah.
Eine Stunde nach Sonnenaufgang wurde die Tür aufgeschlossen, und eine verschleierte Frau trug ein Frühstück herein. Drei Bewaffnete - Revolutionsgardisten, vermutete Wittmann - blieben im Türrahmen stehen.
Er hätte sie leicht ausschalten und sich auf die Suche nach dem Botschafter machen können. Aber so verhielt man sich nicht bei Freunden. Und zu diesen zählte Thule die Islamische Republik Iran.
Also versuchte er es erneut mit Worten: »Ich muß den Botschafter sprechen. Dringend! Roxelena!«
»Nix Roxelena! Botschafter schlafen. Du warten !«
Die Frau verließ das Zimmer, und die Tür wurde wieder abgeschlossen. Magnus hätte schreien mögen vor Wut und Ungeduld, aber das hätte ihm auch nicht geholfen. Andere Länder, andere Sitten!
Und da er sich nun auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Landes befand, mußte er sich dessen Sitten anpassen, ob es ihm gefiel oder nicht.
Zumindest war das Frühstück schmackhaft. Besonders der Tee war eine Wucht. Auf dessen Zubereitung verstanden sich die Perser einmalig gut.
*
Es war fast elf Uhr, als die Tür erneut aufgeschlossen wurde und ein sichtlich aufgelöster Botschafter ins Zimmer stürmte. »Diese verdammten Narren wollten meinen Schlaf nicht stören, haben mich in Ruhe frühstücken und die Post bearbeiten lassen und dann erst das Stichwort genannt. Roxelena! Ist es zu fassen? Das konnte nur passieren, weil mir Teheran immer wieder Revolutionsgardisten statt ausgebildeter Männer schickt! Dieser Haufen.«
Der Botschafter wollte zu einer ebenso wort- wie gestenreichen Entschuldigung ansetzen, aber Magnus Wittmann unterbrach ihn: »Später. Zuerst brauche ich Zugang zum Funkgerät. Bringen Sie mich hin .«
Der dunkelhaarige Mann mit dem Vollbart nickte dienstfertig und führte Magnus persönlich in den Keller der Botschaft, wo in einem mit einer Panzertür gesicherten Raum ein abhörsicheres Digitalfunkgerät stand. Bisher war es keinem Geheimdienst der Welt - nicht einmal dem Mossad - gelungen, die Verschlüsselungsalgorithmen dieser in Thule entwickelten Anlagen zu knacken.
Wortlos setzte sich der Deutsche (der immer noch aussah wie ein Türke) vor das Gerät,
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