Stahlfront 4: Verrat um Thule
davon ahnte Bernhard »Bärwolf« Bittrich noch nichts, als er das Meteorologische Truppeninstitut besuchte.
Der Thulemarschall hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, militärische Einrichtungen immer wieder einmal in unregelmäßigen Abständen und ohne Vorankündigung zu inspizieren.
Das hatte einen einfachen Grund: Schon viele Heeresführer in der Geschichte hatten von sich behauptet, sich für jeden einzelnen Mann ihrer Streitkraft mit dem gleichen Nachdruck einzusetzen, sei es ein hoher Stabsoffizier oder der unterste Dienstgrad. Doch in der Regel hatten die Herren Offiziere zusammengehalten, und der gemeine »Schütze Arsch« hatte sehen können, wo er blieb.
Bittrich hielt solch ein Verhalten nicht nur menschlich für mies, sondern auch höchst kontraproduktiv für den Zusammenhalt in der Truppe. Und gerade eine relativ kleine Streitmacht wie die Thules war darauf angewiesen, daß jeder Mann dem anderen blind vertraute.
Die ungeheure Schlagkraft, die Einheiten aus Thule immer wieder an den Tag legten, hing nicht nur mit ihrer erstklassigen Ausrüstung zusammen, sondern auch damit, daß sich selbst der kleinste Soldat im hintersten Schützenloch stets hundertprozentig auf seine Führung verlassen konnte.
Und so konnte sich auch die Führung auf ihre Untergebenen verlassen. Dieses uneingeschränkte gegenseitige Vertrauen verlieh auch noch in den Zeiten modernster Kriegsführung den Thule-Truppen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil jedem Feind gegenüber.
Auch damit dieses Vertrauen niemals erlosch, führte Bittrich seine unangemeldeten Inspektionen durch. So hatten die Führungsoffiziere keine Gelegenheit, ihre Einheit zu schönen und Männer, die vielleicht eine Beschwerde vorbringen würden, gerade am Tag der Inspektion mit einem »unaufschiebbaren Auftrag« ans andere Ende des Reiches zu schicken.
Offiziere, die sonst vielleicht ein wenig zum Schlendrian geneigt hätten, führten ihre Einheiten so, als könne der Thulemar-schall jeden Tag vorbeikommen - denn genau so war es ja schließlich auch.
Das Meteorologische Truppeninstitut - oder Met, wie es im Dienstjargon augenzwinkernd hieß - war zwar eine Einrichtung der Truppen, aber hier arbeiteten Wissenschaftler, keine Soldaten. Als Angehörige der Streitkräfte hatten sie zwar militärische Dienstgrade, doch sie waren ebensowenig Soldaten wie etwa der Truppenkaplan. Aus diesem Grund hatte Bittrich bisher keine Notwendigkeit gesehen, das Met einer Inspektion zu unterziehen.
Wissenschaftler waren Zeitgenossen, deren Umgang der Marschall nach Möglichkeit mied. Er war ein erd- und heimatverbundener Soldat, ein Pragmatiker - die meist recht theoretisch veranlagten »Großhirne« hingegen lebten in einer völlig anderen Welt, die er nicht wirklich kennenlernen wollte. Den oft verschrobenen, manchmal auch genialen Gedankengängen der Forscher konnte er meist nicht folgen und versuchte es daher auch gar nicht erst.
Es genügte ihm völlig, wenn sie mal wieder eine Erfindung präsentierten, am besten ein neues Waffensystem, das Thule weiterhin einen großen technischen Vorsprung vor seinen Feinden sicherte.
Aber heute hatte er sich spontan zu einem Besuch im Met entschlossen, weil er gestern abend kurz vor dem Zubettgehen noch eine interessante Reportage im Thule-Fernsehen verfolgt hatte. Darin war von einer ungewöhnlichen Wärmewelle über Neu-Schwabenland die Rede.
Hier unten in der Höhlenwelt merkte man natürlich nichts von dem eisigen arktischen Wetter viel weiter oben. Hier unten war es stets frühlingshaft warm. Aber der Bericht hatte Bittrichs Neugier geweckt, und so wollte er sich im Met aus erster Hand über das Phänomen informieren.
Also hatte er Fahnenjunker Denkena befohlen, schon mal den Wagen zu holen.
Die Elektrofahrzeuge, die auf den Straßen Thules verkehrten, bezogen ihre Energie über Induktion aus der Straße und hatten außerdem starke Batterien an Bord. Bittrich hätte gern auch mal ein Automobil mit Benzinantrieb bewegt, aber in einer Höhlenwelt war es einfach vernünftiger, so wenige Abgase wie nur irgend möglich zu produzieren, weil die Luftreinhaltung sonst einfach zu teuer geworden wäre.
Benzinmotoren waren außer in der Landwirtschaft prinzipiell nur in militärischen Fahrzeugen zulässig, und die führten ihre Manöver nach Möglichkeit nicht innerhalb der Höhlenwelt durch.
Der eine oder andere hohe Offizier hatte Bittrich schon einmal darauf angesprochen, ob man nicht wenigstens den Mitgliedern des
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