Stahlhart
mischte sich Rainer ein: »Gemach, gemach, mein Schatz. Lasst uns das unverhoffte Wiedersehen feiern. Ich hole eine Flasche Wein, und dann können wir in Ruhe reden.« Er stand auf und ging zu einem Kellner hinüber, um seine Bestellung aufzugeben. Bei der Rückkehr sprach er so locker wie möglich: »So, Ulf, erzähl. Was führt dich her? Willst du uns im Urlaub begleiten?«
»Nein, nein. Natürlich will ich euch in eurem Liebesurlaub nicht belästigen. Ich hatte Zeit und hielt einen kurzen Besuch für ganz nett. Das ist alles.«
»Na ja, wenn wirklich nichts Wichtiges anliegt, ist gegen eine kurze Stippvisite tatsächlich nichts einzuwenden. Eigentlich ist es ganz schön, dass du gekommen bist.«
Britta schien etwas beruhigt.
»Hast du ein Zimmer gemietet?«
»Nein, noch nicht. Ich wusste ja nicht, ob ich euch finde und treffe. Deshalb habe ich mir alle Möglichkeiten einer etwaigen sofortigen Weiterreise offengelassen.«
Das Versäumnis wurde sofort nachgeholt. Allerdings nur für eine Nacht. Ulf wollte am nächsten Tag wieder zurück nach Deutschland fliegen. Britta hatte dagegen trotz aller Beschwichtigungsversuche ihres Bruders den leisen Verdacht, dass mehr hinter der Sache steckte.
Alle zusammen suchten sich ein ruhiges Lokal, um miteinander reden zu können. Der Abend fing vielversprechend an. Britta schenkte Rainer zur Erinnerung einen Kugelschreiber aus Sterlingsilber.
»Wie komme ich denn zu der Ehre?«, fragte Rainer überrascht.
»Es ist ja nur eine kleine Gabe, ein Alltagsgegenstand, aber du musst beruflich viel schreiben und ich wollte dir unbedingt etwas schenken, was dich täglich an mich erinnert. Etwas, was du viel in der Hand hast, damit du immer daran erinnert wirst, wer auf dich wartet«, erklärte Britta.
Rainer beugte sich zu ihr, küsste sie zärtlich und bedankte sich: »Das ist keine kleine Gabe, es ist eines der schönsten Geschenke, die ich jemals bekommen habe. Das ist kein Kugelschreiber, das ist ein Symbol für deine Liebe.«
»Mir hast du nie so etwas Schönes geschenkt. Das hätte ich auch gern«, moserte Ulf.
»Wenn dein Herz an solchen Sachen hängt, kaufe ich dir morgen ebenfalls so einen Kugelschreiber. Natürlich aus einem anderen Grund, aus Liebe zu meinem Bruder«, konterte Britta.
»Wenn ich darum bitten darf. Ich erinnere mich eben auch gern an meine Schwester. Außerdem ist es ein außergewöhnliches Stück, das nur wenige haben«, entgegnete Ulf zufrieden.
»Aber verscherbele ihn nicht gleich wieder«, rutschte es Britta raus, die dafür einen ernsten Blick von Ulf erntete.
Als Rainer sich wegen eines Bedürfnisses für kurze Zeit entschuldigen musste, nutzte Britta die Gelegenheit: »Los, Ulf, was ist nun tatsächlich los?«
»Ich muss dringend mit dir reden. Ich sah keinen Ausweg mehr, deshalb habe ich mir das Geld geliehen, um hierher zu kommen. Du musst mir helfen, sonst weiß ich nicht mehr weiter. Vor Rainer kann ich aber darüber nicht reden.«
»Ach, Ulf, was ist nun schon wieder? Okay, ich werde versuchen, dass uns Rainer die Gelegenheit gibt, allein zu sein.«
Der Abend verlief weiter ganz harmonisch, obwohl sich Britta dabei ertappte, dass sie immer wieder verstohlen zu Ulf hinüberblickte. Sie bemerkte auch, dass Ulf ab und an ihren Blick zu fassen versuchte.
Der Spaziergang am Strand im Mondlicht entfiel. Stattdessen saßen alle lange beisammen und unterhielten sich. Ulf war ein charmanter Plauderer.
Später, im Hotel angekommen, sorgte Britta dafür, dass sie sich ungestört mit ihrem Bruder besprechen konnte. Sie erklärte Rainer, dass Ulf um ein Gespräch gebeten hatte. Während Rainer vor ihr auf das gemeinsame Zimmer ging, setzten sich Britta und Ulf in eine stille Ecke der Bar.
»Erzähl, Ulf, was hast du auf dem Herzen?«
»Britta, du bist meine letzte Chance. Ich brauche dringend 15.000 Euro, sonst ist alles vorbei.«
»15.000? Mein Gott, Ulf!« Britta war ihr Entsetzen deutlich anzusehen. Ulf wurde verlegen.
»Ich bin da in so eine Runde reingeraten. Wir haben gezockt. Zuerst lief es auch wunderbar. Ich habe gewonnen, und zwar reichlich. Ich dachte, ich hätte eine Glückssträhne, und es ginge so weiter. Ich fühlte mich den anderen überlegen. Dann brach plötzlich mein Spiel, und ehe ich mich versah, hatte ich alles verloren. Ich habe Schuldscheine unterschreiben müssen und glaube mir, meine Spielkumpane sind keine Typen, mit denen man privat gern Kontakt hätte.«
»Warum lässt du dich mit solchen Leuten denn ein?«
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