Stahlhart
Fingerspitzengefühl hätte ich dir schon zugetraut. Gerade du weißt, was eine Vermutung, ein Gerücht bewirken kann. Du schadest dadurch nicht nur mir, sondern der ganzen Zeitung. Überleg also zukünftig erst, bevor du handelst.«
»Hast du was zu verbergen?«, fragte Jens lauernd.
»Sicher nicht. Du hättest nur vorher mit mir sprechen können.« Rainer gelang es einfach nicht, zu Jens vorzudringen. Es war, als spreche er mit einer Wand, die alles an sich abprallen ließ.
Um 17.30 Uhr machte sich Rainer auf den Weg nach Worpswede, zum Treffen mit Roland Ernst. Von ihm erhoffte er sich Unterstützung. Roland saß wieder in der Ecke neben der Treppe zum Kleinkunstraum, unterhalb des Rettungsrings eines Schiffes namens ›Oberon‹.
Rainer begrüßte ihn mit den Worten: »Danke für dein Kommen. Ich brauche deine Hilfe.«
»Ich tue, was ich kann«, versprach der. »Was ist los?«
»Auf deinen Rat hin habe ich mich mit dem Fall und den Details beschäftigt. Aber durch eure Informationssperre habe ich zu wenig zur Verfügung. Kannst du ein wenig plaudern?«
»Ich habe dir bereits gesagt, dass ich das nicht darf, zumal die Ermittlungen sich mit dir beschäftigen.«
»Roland, im Ernst, glaubst du, dass ich was damit zu tun habe?«
Roland sah von seinen Händen auf, die die ganze Zeit über nervös mit einem Bierdeckel gespielt haben.
»Nein, ich traue es dir nicht zu.«
»Dann hilf doch einem Unschuldigen. Ich habe den Eindruck, allein komme ich da nicht raus.«
»Du solltest die Polizei nie unterschätzen«, erinnerte ihn der Kommissar.
»Tue ich nicht, aber momentan spricht einiges gegen mich.«
»Zum Beispiel?«
»Das weißt du längst, aber, was viel schlimmer ist, ich kann das nicht klären. Ich finde den Kugelschreiber von Britta nicht. Ich muss ihn verloren haben, oder er wurde mir gestohlen.«
»Hätte es denn die Gelegenheit dazu gegeben?«
»Sicher«, antwortete Rainer. »Wie oft lag der Schreiber mal unbeobachtet auf meinem Schreibtisch, oder ich habe ihn in einem Lokal liegen lassen, als ich zur Toilette ging.«
Roland Ernst lächelte aufmunternd. »Das ist zwar übel, aber nicht entscheidend. Der Stift allein wird dich nicht hinhängen. Was ist mit den Alibis?«
»Das ist der nächste Punkt. Ich bin die Daten durchgegangen. Die Taten fanden immer in unglücklichen Momenten für mich statt. Worpswede, der erste Überfall, zum Beispiel, da war ich zwar in Berlin, aber gerade den Nachmittag und Abend bin ich doch nach Bremen gefahren, um Britta zu überraschen. Erinnerst du dich? Wir hatten das besprochen.«
»Jetzt, wo du es sagst.«
»Und das verhält sich ähnlich bei den anderen Fällen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich jemand entlasten kann. Im Hotel hatte ich mich nicht abgemeldet und unterwegs, hier in Bremen, wer könnte sich nach der Zeit daran erinnern, mich irgendwo sitzen gesehen zu haben? Gibt es nicht andere Hinweise auf den Täter, die für mich sprechen?«
»Ehrlich gesagt haben wir wenig, das nicht auf Millionen Menschen zutrifft.«
»Genmaterial?«
»Fehlanzeige.«
»Rückschlüsse aus der benutzten Waffe?«
»9 Millimeter, weit verbreitet.«
»Sprache?«
»Reines, fehlerfreies Hochdeutsch, gutes Bildungsniveau in Satzstellung und Grammatik.«
»Also praktisch keine Erkenntnisse oder Ansätze.«
»Nein, sag ich doch«, bestätigte Roland Ernst. »Deshalb bist du momentan eben der einzige Ermittlungsansatz. Auf dich treffen Beschreibung, Details und Indizien zu.«
»Wie komme ich aus der Klemme raus?«
»Im Moment ist die Indizienlage zwar ein Fingerzeig in deine Richtung, mehr aber nicht. Für dich spricht, was nicht auch auf viele Menschen zutreffen könnte. Das ist alles nichts Halbes und nichts Ganzes. Also mach dir vorerst keine Sorgen.«
»Ich mache mir aber Sorgen, denn ich verstehe nicht, wieso ausgerechnet ich? Weißt du, was mich wirklich wahnsinnig macht? Die Tatsache, dass ich absolut unschuldig bin. Selbst in größter finanzieller Not käme ich nicht auf den Gedanken, eine Bank zu überfallen. Und Menschen Gewalt anzutun, ist mir zuwider. Also, warum ich?«
»Wenn du unschuldig bist– und ich glaube dir–, dann wird sich das auch ganz schnell herausstellen. Unser Job ist es, den wahren Täter zu finden und nicht der Masse einen Alibitäter zum Fraß vorzuwerfen. Letztlich vergiss eines nicht: Ich stehe dir zur Seite!«
Diese Worte beruhigten Rainer etwas und machten ihm Hoffnung, heil aus der Sache herauszukommen.
»Danke, Roland,
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