Stahlhart
den Schotterparkplatz des Fährhauses Wessels ein. Er erkannte am abgestellten Wagen, dass Roland Ernst schon da war. Eilig schritt er die Stufen hoch, blickte sich in den Gasträumen um und ging in den wintergartenähnlichen Anbau. Dort saß in einer Ecke als einziger Gast der Kommissar. Nach kurzer Begrüßung setzte sich Rainer zu ihm. Als der Kellner kam, bestellte er jedoch nichts, denn die beiden wollten erst ein paar Schritte auf der Promenade des Weserufers gehen. Sie liefen den grasbedeckten Deich hinunter zum Promenadenweg.
»Es ist immer wieder ein imposanter Anblick, wenn ich das Stahlwerk von Arcelor Mittal sehe. Ich weiß, dass es anders heißt, aber für mich bleibt es das alte Klöckner-Gelände, der neue Name ist mir zu schwierig«, meinte Roland Ernst versonnen.
»Diese weitläufige und trotzdem verwinkelte Anlage mit ihren Ecken und Gebäuden, mit den Schornsteinen und Stahlverstrebungen, Stahltreppen, überdimensionalen Rohren, Türmen und Industrieaufbauten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden gibt, der das ganze sieben Hektar große Gelände kennt.« Abrupt drehte er den Kopf. »Aber, Rainer, weshalb dieses Treffen?« Sie schlenderten den geteerten Promenadenweg direkt am Weserufer Richtung Bremen-Woltmershausen entlang. Roland Ernst beobachtete dabei jeden Spaziergänger, der ihnen entgegenkam. Er dürfte sich gar nicht mit einem Verdächtigen privat treffen.
»Roland, irgendwie wächst mir die Sache langsam über den Kopf«, begann Rainer schließlich. »Ich war zwar immer nahe dran an Verbrechen, aber das hier ist mir nun doch viel zu nahe. Glaubst du, dass ich etwas damit zu tun habe?«
»Ich habe dir schon früher gesagt, dass ich dich für unschuldig halte, und daran hat sich absolut nichts geändert. Allerdings musst du zugeben– und ich bitte dich um objektive Beurteilung, soweit das möglich ist– irgendwie hat Frau Hansen recht. Irgendwie führen alle Spuren zu euch oder zu dir.«
»Danke für deine Meinung und deine Einstellung zu mir. Ich habe mir, natürlich, auch schon Gedanken zu dem Fall gemacht. Dabei kam mir die Idee, dass jemand im Hintergrund die Strippen zieht.«
»Hast du einen Verdacht, wer das sein könnte?«
»Nein, absolut nicht«, gab Rainer zu. »Ich kenne niemanden, dem ich diese Gewalt zutrauen würde und vor allem kenne ich niemanden, der Grund hätte, mir das anzutun.«
»Vielleicht hängt das Ganze aber auch mit einem früheren Fall zusammen, über den du berichtet hast. Darüber haben wir schon im Präsidium gesprochen. Bist du irgendwann einmal jemandem auf die Füße getreten? Hatte jemand unter Folgen zu leiden, die durch deine Berichterstattung entstanden sind?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer. Ich war doch nur Gerichtsreporter. Ich habe nie jemanden ans Messer geliefert oder verurteilt.«
»Na ja, ganz so einfach ist das auch nicht. Jeder Zeitungsartikel löst etwas im sozialen Umfeld des Täters aus. Berichterstattung im Vorfeld eines Prozesses wird auch von Richtern und Schöffen gelesen. Ob die dann ganz frei von Beeinflussung bleiben, wage ich zu bezweifeln. Eine falsche Interpretation deinerseits, eine ungenaue Recherche können ungeahnte Folgen haben, und jemand will sich dann an dir rächen.«
»Ich werde mal meine alten Fälle ausgraben und daraufhin überprüfen. Danke für den Tipp«, lächelte Rainer. »Eine Frage habe ich noch: Gehen die Ermittlungen in meine Richtung weiter, oder bin ich aus dem Schneider?«
»Niemand ist aus dem Schneider. Natürlich gehörst du nach wie vor zu den Hauptverdächtigen, aber durch den Posträuber gibt es eine neue Spur, die allerdings auch wieder mit dir oder mit euch zusammenhängt.«
»Kann ich davon ausgehen, dass ich frühzeitig etwas von dir höre, wenn ich wieder im Fokus bin?«
»Das ist nicht so einfach. Natürlich ist Frau Hansen unsere Beziehung bekannt. Deshalb bin ich auch nicht ganz so dicht dran. Ich weiß nicht, ob ich unter Beobachtung stehe. Aber natürlich tue ich für dich, was ich kann.«
»Apropos Observation, werde ich überwacht?«
»Damit musst du rechnen, aber ich weiß es nicht genau. Und da liegt auch das Problem für mich. Aber ich gehe davon aus, dass ich da rauskäme. Hast du denn jemanden gesehen oder den Verdacht, dass dir jemand folgt?«
»Nein, eigentlich nicht, deshalb hatte ich ja gefragt.«
Da beide ein langes Stück am Ufer entlang spaziert waren, drehten sie um und gingen denselben Weg zurück.
Auf dem Parkplatz verabschiedeten sie sich
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