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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Styroporkästen zum Vorschein, öffnete den einen, ließ den Deckel theatralisch auf der Hand kreisen und trat zurück. Fletcher griff in den Kasten und holte den Gegenstand heraus.
    In seinem exklusivsten Privatschulakzent pries Rupe die Ware an. »Die HS 2000, hergestellt in Kroatien. Ein Schießtraining ist überflüssig. Einfach nur zielen und abdrücken.«
    In Großbritannien sind Handfeuerwaffen illegal, aber durchaus erhältlich. Rupert Darcys maßgeschneiderte Geschäftsidee bestand darin, dass er Ware aus den osteuropäischen Waffenfabriken an die Leute vom Land verkaufte - wohlhabende Gutsbesitzer, die sich vor Einbrechern und gewalttätigen Großstadt-Kids fürchteten. Warum sollten die sich bewaffnen dürfen und wir nicht? Jetzt zündete Rupe sich eine Zigarette an, und Fletcher spürte, wie der junge Mann ihn mit seinen dunklen Augen musterte.
    Die Pistole war klein und leicht. Sie bestand teils aus Stahl, teils aus primitiv gegossenem Kunststoff und wirkte brandneu, aber billig, fast wie ein Wegwerfartikel. Fletcher nahm das Magazin aus der Schachtel und betrachtete die oberste Patrone.
    »Das ist ein Kaliber .22.«
    »Sie ist auf Kaliber .22 umgerüstet, richtig. Die kommen so ab Werk, das hängt mit den Exportbestimmungen zusammen.«
    »Ich wollte eine Waffe, die was taugt.«
    »Ihre Anfrage kam sehr kurzfristig, Mr Fletcher. Aber diese Waffe hier ist zur Selbstverteidigung absolut brauchbar. Aus der Nähe haut sie jeden um. Schießen Sie auf den Kopf, und die Kugel wird richtig im Schädel rotieren. Wie wenn man Farbe umrührt. Das sollte doch reichen, oder?
    Nur zu, laden Sie. Es gibt keinen Sicherungshebel. Einfach nur drücken, bis es klick macht, und dann noch mal drücken. Nur zu, probieren Sie's mal aus.«
    Fletcher visierte einen Fleck an der Wellblechwand an, zielte und drückte ab. Er spürte, wie die Waffe leicht in seiner Hand zuckte, hörte einen leisen Knall wie in einer Jahrmarktsschießbude und sah einen winzigen Splitter blauen Himmels, wo die Kugel weit von der anvisierten Stelle das Wellblech durchschlagen hatte. Rupe pfiff so laut, dass er das Echo des Knalls übertönte.
    »Damit sind Sie unbesiegbar. Wollen Sie beide? Im Partnerlook?« Sein Blick ging zu Mia hinüber. Sie holte die zweite Pistole heraus, lud und zielte auf denselben Fleck. Das Loch, dass sie in die Wand schoss, lag dichter beim Ziel als Fletchers. Rupe zog eine Augenbraue hoch.
    »Haben Sie trainiert?«
    »Nur gelegentlich am Schießstand. Samstagvormittags.«
    »Wollen Sie Zusatzmagazine?«
    »Nein«, antwortete Mia. »Mehr als einen Schuss pro Person brauchen wir nicht. Wie Sie schon sagten, nur zur Selbstverteidigung.«
    Fletcher bezahlte Rupe in Fünfzigerscheinen, fünf pro Pistole. Rupe sammelte die leeren Styroporkästen ein.
    »Die entsorge ich ordnungsgemäß.«
    Mia und Fletcher stiegen wieder in den Cossack. Sie wickelten die eine HS 2000 in ein T-Shirt und steckten sie unter den Fahrersitz, die andere kam in einen Lappen eingeschlagen ins Handschuhfach. Mia ließ den Motor an. Alles andere war abgestellt - keine Handys, über die man sie hätte orten können, kein GPS und ein Navi-System gab es ohnehin nicht.
    »Sind wir startklar?«
    »Wir sind nicht auf Anhieb erkennbar und haben un- registrierte Waffen. Dann können wir also los.«
    Einen Augenblick lang fragte Fletcher sich, ob sein Vaterwohl auf genau demselbem Weg war - allerdings nicht mit einem kroatischen Kaliber .22 bewaffnet, sondern mit einer uralten britischen Pistole. Mit der Pistole, mit der er auf seinen Sohn gezielt hatte, bevor er ihm sagte, dass er ihn lieb habe. Ob diese alte Waffe überhaupt noch schießen würde, wenn er sie brauchte?
    Als sie sich ein letztes Mal nach Rupert Darcy umsahen, drückte der gerade seine Zigarette an der Wellblechwand aus und steckte den Stummel in die Jackentasche.
    Sie fuhren los, zurück auf die Überlandstraße und von dort ostwärts auf die A10, die Schnellstraße von Cambridge nach Norfolk. Der alte russische Motor summte fleißig vor sich hin, während das Fahrgestell mit Ächzen und Stöhnen einen auf Dissident machte. Er mochte es, wie Mia fuhr, die Hand fest im Lenkrad verhakt und die Finger lose am Rand. Aus dem Überschwemmungsgebiet kamen ihnen lange Verkehrskolonnen entgegen. Links und rechts der Straße standen die Felder unter Wasser und Möwen schwammen auf den Wellen - und im Rückspiegel sah er, wie sich das Licht an einem dunklen Horizont nur mühsam einen Weg durch die Wolken

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