Stahlhexen
auch.«
69
Ihr Büro lag im zweiten Stock. Man konnte auf den kleinen See hinuntersehen, dahinter den Motorway und die verschneiten Felder. Es war ein mittelgroßes Einzelbüro. Der Raum einer Angestellten, die bereits einen Fuß in der Tür zum Management hat und dabei ist, die Karriereleiter zu erklimmen. Ihr Schreibtisch war aufgeräumt - ein zugeklapptes Notebook stand darauf, daneben lag ein kleiner Stapel Din A4 Blätter mit der unbeschrifteten Seite nach oben. Sie setzte sich, betrachtete Fletcher, der sich ebenfalls setzte, führte die gepflegten Fingerspitzen zusammen und sagte:
»Ihnen ist bewusst, dass Mr Slades Name an die Öffentlichkeit gelangt ist?«
»Ich habe heute Morgen die Nachrichten gesehen.«
»Nun, Mr Fletcher.« Allmählich kam er sich vor wie bei einem Einstellungsgespräch. »Ich war Mr Slades Stellvertreterin. Daher befasse ich mich jetzt angesichts der bedauerlichen Situation mit einigen Aspekten seiner Arbeit.« Die leicht heisere Stimme und der etwas zu forsche amerikanische Ostküstenakzent. »Also, worum geht es Ihnen?«
»Es geht um Nathan Slade und Daisy Seager.«
Mia Tyrone sah ihm ein paar Sekunden lang in die Augen. »Warum interessiert Sie das? Sicher, Sie haben die Leiche gefunden. Gut. Aber ist das ein Grund?«
»Ich bin Privatdetektiv.«
»Sie sind Privatdetektiv und stoßen ganz zufällig auf die Leiche?« Sie runzelte die Stirn. »Darf ich einmal ihr Ausweispapier sehen?«
»Meine Besuchergenehmigung?«
»Ihren Privatdetektivausweis. Wenn Sie Privatdetektiv sind, müssen Sie eine Lizenz besitzen.«
»In England brauchen Privatdetektive keine Lizenz.«
»Keine Lizenz für Privatdetektive? In einem Land, in dem man sogar für einen Fernseher oder einen Hund eine Genehmigung braucht?«
»Fernsehgeräte und Hunde sind gefährlich. Aber ich habe eine Frage an Sie. Daisy weiß etwas über Hexen. Was bedeutet das?«
Mia Tyrone warf einen Blick auf die Uhr. »Also, ich sollte mich jetzt wohl auf meinen nächsten Termin vorbereiten. Ich weiß nicht, wovon Sie reden, und ich werde diese Unterhaltung nicht weiterführen. Sie können sich an unsere Rechtsabteilung wenden, wenn Sie wollen - auch wenn man dort wahrscheinlich nicht mit Ihnen sprechen wird. Mit den Juristen ist es überall dasselbe, nicht wahr? Tut mir leid.«
»Hat es irgendwas mit Hexerei zu tun?« »Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung, was Sie meinen.«
Ihr Haar war braun, hatte aber einen rötlichen Schimmer, und sie strich in einer raschen Bewegung mit den Fingern hindurch - war das Verärgerung, oder Haarpflege? Wenn sie nicht über das Thema sprechen wollte, warum hatte sie ihn dann überhaupt empfangen ?
»Ich musste mir bei meinem Anruf gestern sehr lange Gitarrenmusik vom Band anhören, ehe ich Ihnen sagen konnte, dass Daisy etwas über Hexen weiß. Da waren Sie noch bereit, mich zu treffen. Warum?«
»Nein, nein.« Sie lächelte und in ihren Augenwinkeln bildeten sich Fältchen. »Ich erinnere mich, dass Sie etwas über Hexen sagten, richtig. Gestern wusste ich nicht, was Sie damit eigentlich meinten, und heute weiß ich es auch nicht. Ich habe Sie aus einem anderen Grund zu mir gebeten, wegen etwas, das Sie davor gesagt hatten.«
Er ging das Telefongespräch im Geist noch einmal durch, begriff aber nicht, worauf sie hinauswollte. »Und was war das?«
»Ihr Name, Mr Fletcher. Ihr eigener Name.« »Mein Name?«
»Ja. Sie nannten mir Ihren Namen, erinnern Sie sich?
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Und mir fiel auf, dass ich diesen Namen gerade kurz zuvor gelesen hatte. Das fand ich interessant und darüber wollte ich mich mit Ihnen unterhalten.« »Wo stand mein Name denn?«
Fletcher überlegte, auf welchem Schreiben sie seinen Namen gesehen habe mochte. Und tatsächlich griff sie nach einem Blatt, das auf ihrem Schreibtisch lag.
»Gestern hatte ich die traurige Pflicht, die persönlichen Dinge aus Nathan Slades Büro zusammenzupacken«, sagte sie. »Verstehen Sie, worauf ich hinaus will?«
»Eher nicht.«
»Sie wissen schon, der ganze Kram in den Regalen und Schreibtischschubladen. In jedem Büro gibt es immer auch irgendwas Persönliches. Diese Sachen musste ich dann zu einigen persönlichen Dingen legen, die aus Mr Slades Haus hergebracht worden waren. Wirklich traurig, wie von einem ganzen Leben schließlich nur noch ein Karton voll Kram übrig bleibt.«
»Ja, das ist traurig. Wo stand mein Name?«
Sie nahm ein Blatt Papier zur Hand und betrachtete es. »Also, zuerst wollen wir mal sehen,
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