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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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zweiten Bestseller – Lampedusas «Der Leopard».
    Das dritte Glück bot ihm eine männliche Fee. Im Reinbeker Haus des Verlegers Ledig-Rowohlt begegnete er 1958 dessen Freundin Inge Schönthal, einer jungen Göttinger Schönheit, die ihre ersten Erfolge als Fotografin mit sensationellen Aufnahmen von Ernest Hemingway errungen hatte, die um die Welt gingen. An diesem Abend – es war ein Coup de Foudre – traf sie nun auf die «wirkliche Welt», so märchenhaft sie auch schien: den gut aussehenden, gebildeten Milliardär, der zwar mit Yacht und Schloß und Stadtpalais standesgemäß ausgestattet war, dessen hellwacher Intellekt aber den Büchern gewidmet war, mit denen er in das Rad der Geschichte eingreifen wollte. Ein deutscher Verleger – Kurt Wolff – nannte ihn später den «einzigen neuen Menschen», der ihm je begegnet sei. Sohn Carlo, heute so kundiger wie geschäftlich versierter Programmchef des Verlages, hat dem Vater und den Irrwegen von dessen Leben eine tiefberührende Biographie gewidmet unter dem Titel der Lieblings-Zigarettenmarke des exzentrischen Multimillionärs, «Senior Service». Ein Päckchen solcher Zigaretten lag auf dem Armaturenbrett des Wagens, der 1972 unweit der Leiche seines Vaters an einem Hochspannungsmast vor Mailand gefunden wurde. «Terrorist stirbt vor den Toren Mailands beim Sprengen einer Hochspannungsleitung» lautet damals die Schlagzeile des «Corriere della Sera».
    Doch dieses Ende – der Unfalltod? oder Mord? das wurde nie aufgeklärt – nimmt die eigentliche Geschichte vorweg. Und das ist weitgehend auch die Geschichte der Inge Feltrinelli. Denn mit ihr gemeinsam wurde ein mächtiges Verlagsimperium aufgebaut; daß deutsche Autoren (in Italien sonst schwer durchzusetzen) sehr bald das Programm prominent mitbestimmten, ist fraglos ihrem Einfluß zuzuschreiben: Max Frisch und Rolf Hochhuth (wegen dessen «Stellvertreter» man Prozesse führen mußte), Günter Grass und Uwe Johnson. Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine schöne Frau – heißt ein berühmtes Wort. Hier konnte man dessen Wahrheitsgehalt überprüfen. Inge Feltrinelli hat sich die Jahre hindurch, die der Verlag blühte und gedieh, nie in den Vordergrund geschoben. Und es gibt genug Anekdoten, wie sehr Giangiacomo Feltrinelli Boß sein konnte – ich habe das bei gelegentlichen Disputen mit ihm wahrhaftig miterlebt. Doch Inge hatte ihre ganz eigene Rolle gefunden. Es war nicht die der «Frau des reichen Mannes», und es war auch nicht die der Souffleuse. Diese Frau – ihren früh aus Nazideutschland emigrierten Vater hat sie nicht gekannt – zeichnet eine so seltene wie besondere Eigenschaft aus: Sie ist eine leise, zähe Katze, die genau weiß, wann sie Krallen zeigt, wann sie verschwindet, die Augen zuvor zu Schlitzen verengt. Katzen, wie man weiß, haben einen eigenen Lebensrhythmus, sie «gehorchen» nicht, sie hüten den Raum ihrer Existenz wie ein Nest. Inge Feltrinelli baute mit an dem gigantischen Autoren-«Nest», das alsbald ausgepolstert war für die internationale Kultur-Elite: Saul Bellow oder Albert Camus, Charles Bukowski oder Giannis Ritsos, Lawrence Durrell oder Nanni Balestrini, Ernst Bloch oder John Cage, Allen Ginsberg oder Edoardo Sanguineti – die Verlagskataloge sind gleichsam das «Who is Who» der Weltkultur von James Baldwin über Hermann Broch bis Nathalie Sarraute und Hubert Selby. Unzählige Fotos zeigen die beiden Feltrinellis im Kreise ihrer Autoren; vielleicht war er anfangs der Kopf – sie war die Seele des Verlages, sie vermochte es, mit Charme und Esprit (und gelegentlich reichlich Wein) auch Auseinanderstrebendes zusammenzuhalten; denn wer wüßte nicht, daß es in einem Verlag (oder einer Redaktion) Rankünen und Eifersüchteleien gibt, daß Autoren – jeder sein eigenes Sonnensystem – eher selten liebevoll einander begegnen. Peter Handke und Martin Walser wird man füglich nicht Freunde nennen mögen. Nur einer – eine – war die Vertraute: Inge. Der manchmal herrische, oft jähe, gelegentlich rasche Allianzen knüpfende wie aufkündigende Giangiacomo Feltrinelli wußte, was er an ihr hatte.
    Bald nämlich mußte Inge Feltrinelli auch der Kopf sein. Der ehemalige Kommunist – übrigens bis zu seinem Tod mit Sitz und Stimme in mehreren Aufsichtsräten großer italienischer Unternehmen – driftete gegen Ende der 60 er Jahre in den Linksextremismus ab. Fotos zeigen ihn nun öfter mit Castro oder Che Guevara als mit Lyrikern und

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