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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Morbiden, im Sumpfe tummelt, weil es außer in der Analyse dieser Gegebenheiten keine Kraft aufweist, weil sein Pessimismus keine substantielle Größe hat – darum auch mangelt es ihm an dem Atem, an der Überzeugungskraft, die es hätte ausstrahlen können, wäre es nur von einer höheren Warte aus geschrieben worden.» (Hans Schwab-Felisch korrigierte übrigens in einem «Widerruf» vierzehn Jahre später sein Urteil.) Der Ton der westdeutschen Koeppen-Kritik war eingestimmt auf «ätzend», «bösartig», «lüstern», Alfred Andersch schrieb: «Sein Angriff ist vom kalten Haß diktiert und bösartig gezielt.» Koeppens Befund, die neue Macht des aufrüstenden Westens sei «versippt mit den alten Urmächten», traf auf taube Ohren und spitze Zungen. Noch 1999 nannte Günter Grass «diese Teilung eine gesamtdeutsche Leistung …, weil diese beiden Systeme im Kalten Krieg vieles gemeinsam hatten». Wolfgang Koeppen wurde mit fast denselben Verdikten in der Bundesrepublik überhäuft, unter deren Verfolgungsmechanismen der katholische Schriftsteller Reinhold Schneider litt. Peter Hamm hat das in einem Essay eindringlich beschrieben:
    Besonders tief betrübte Reinhold Schneider in jener Zeit die Rolle der katholischen Kirche, die mit dem zwischen Vatikan und Hitler-Deutschland geschlossenen Konkordat dem Diktator die erste internationale Legitimation geliefert hatte und die später niemals die Verfolgung von Sozialisten, Kommunisten und Juden laut anprangerte. Im «Verhüllten Tag» schrieb Schneider über den Schock dieser feigen Kirchenpolitik: «Spätestens am Tage des Synagogensturmes hätte die Kirche schwesterlich neben der Synagoge erscheinen müssen. Es ist entscheidend, daß das nicht geschah. Aber was tat ich selbst. Als ich von den Bränden, Plünderungen, Greueln hörte, verschloß ich mich in meinem Arbeitszimmer, zu feige, um mich dem Geschehen zu stellen und etwas zu sagen …» Wiewohl errettet, begann erst jetzt, nach 1945 , Schneiders leidvollste Zeit. Gleich Walter Warnach, der früh die «verlorene Niederlage» beklagte, mußte auch Schneider rasch erkennen, daß die Chance eines wirklichen Neubeginns im Sinne einer moralischen Umkehr bewußt nicht genutzt wurde, daß Restauration statt Revolution auf Adenauers Programm stand, also die Niederlage noch immer nicht groß genug war: «Wir hätten, im Sinne Luthers, ganz vernichtet sein müssen, wenn wir gerettet werden sollten», schrieb Schneider damals und machte sich damit sowenig beliebt wie mit jener Kardinalfrage nach der Schuld, die er bei seinem ersten öffentlichen Auftreten nach dem Krieg 1946 in Freiburg sich und seinen Zuhörern stellte: «Um unsere Schuld festzustellen, genügt es nicht, den Grad unserer Mitwirkung am nationalsozialistischen Regime abzuschätzen, vielmehr muß sich jeder einzelne jetzt fragen: Was würde ich
heute
tun, wenn unsere Truppen siegreich vorbeidefilierten?» Schon wenig später geschah das Unfaßbare: Es defilierten wieder deutsche Truppen an einer bis zur Idiotie unbelehrbaren Bevölkerung vorbei.
    Klerikale Beißer
    Schneider hatte bis zum physischen Zusammenbruch gegen die Remilitarisierung gekämpft, vor allem auch wieder gegen die Haltung der Kirche, die den Kalten Krieg erst richtig anheizte und gegen den «Feind im Osten» sogar gelegentlich die Atombombe als «christliches Schwert» und «Zuchtrute Gottes» rechtfertigte. Nachdem sich Schneider 1949 an einem Friedensgespräch der im Berliner Ostsektor erscheinenden Kulturbund-Zeitschrift «Aufbau» beteiligt hatte und dort 1951 auch ein Brief von ihm an Johannes R. Becher abgedruckt worden war, in dem er in einer so schwerwiegenden Frage wie der Aufrüstung einen Volksentscheid – und zwar einen des ganzen deutschen Volkes – als unerlässlich gefordert hatte, ließ die katholische Kirche ihre Bluthunde – sprich: klerikale Presse – los; vor dem Hintergrund des Dekrets des Heiligen Offiziums in Rom vom Juli 1949 , das die Zusammenarbeit von Katholiken und Kommunisten verbot, drohte man im «Petrusblatt» und ähnlichen Organen Schneider offen die Exkommunikation an und setzte einen Verleumdungsfeldzug gegen ihn in Gang, bei dem man nicht einmal davor zurückschreckte, Schneider die Annahme eines hochdotierten Postens in der Sowjetunion zu unterstellen.
    Bald wagten Zeitungen, Zeitschriften und Funkanstalten sogar bereits verabredete Beiträge des als Häretiker und Kommunistenknecht Gebrandmarkten nicht mehr zu publizieren. Zum zweiten

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