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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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diesem aber sehr unterscheidet.»
    Beide Gedichte übrigens waren in den USA schon seit Jahren in der hier von Brecht verleugneten und verleumdeten Fassung auf Schallplatten der Timely Recording Company verbreitet, ohne Protest des Autors. Andererseits hat das mit großem Apparat arbeitende Komitee offenbar keine Ahnung, daß zum Beispiel im Film «Kuhle Wampe» gerade dieses Eisler/Brecht-Lied von Ernst Busch gesungen wurde und daß der Film, ohne Beanstandungen, unter dem Titel «Whither Germany» in den USA gelaufen war.
    Mag sein, daß man ein solches Verhör Jahrzehnte später ungerecht beurteilt, daß Brecht es schließlich als lästigen Unsinn empfand, den man umgehen sollte wie den Schutzmann, wenn die Parkuhr abgelaufen ist. Er kann das nicht als Teil seiner Biographie angesehen haben, er war bei weitem nicht der berühmte Mann, als den man ihn heute als Dialogpartner in dieses Gespräch hineinprojiziert. Aber was hätte es wirklich gekostet, auf die Frage «Have many of your writings been based upon the philosophy of Lenin and Marx» mit «ja» zu antworten? Brecht sagt glatt nein. Das heißt, er sagt nicht glatt nein, sondern fügt dem Nein Erklärungen über die generelle Wichtigkeit des historischen Materialismus für einen modernen Dramatiker bei. Um das einzusehen, muß man natürlich kein Marxist sein. Wie weit er sein Florett durchbiegt, diese Mischung aus gelegentlich zu eleganter Schläue und Attackentrotz gibt ein Text wieder, den Brecht (wohl mit seinen Anwälten) für die Verhandlung vorbereitet hatte und den der zwar Zuwendungen, aber nicht Einwänden offene Vorsitzende mit der geistlosen Bemerkung nicht zuließ, es sei «a very interesting story of German life, but …»
     
    In dem Text heißt es unter anderem:
    Meine Tätigkeit, selbst die gegen Hitler, war immer rein literarisch und vollkommen unabhängiger Natur. Als Gast der Vereinigten Staaten von Amerika habe ich mich jeglicher politischer Tätigkeit, die dieses Land betrifft, selbst in literarischer Form, enthalten. Übrigens bin ich kein Drehbuchautor. Hollywood benutzte lediglich eine Geschichte von mir für einen Film, «Hangmen also die», der die Nazibarbarei in Prag zeigt. Ich kann mir keinerlei Einfluß vorstellen, den ich innerhalb der Filmindustrie hätte haben können, weder politisch noch künstlerisch. Da ich aber nun einmal vor das Komitee zur Untersuchung unamerikanischen Verhaltens zitiert worden bin, fühle ich mich auch berechtigt, zum ersten Male ein Wort über amerikanische Angelegenheiten zu sagen: Wenn ich auf meine Erfahrungen als Stückeschreiber und Dichter im Europa der letzten zwei Jahrzehnte zurückblicke, so möchte ich sagen, daß das große amerikanische Volk viel verlieren und viel riskieren würde, wenn es irgend jemandem erlaubte, den freien Austausch von Gedanken auf kulturellem Gebiet zu unterbinden oder die Kunst zu gängeln, die frei sein muß, um Kunst sein zu können. Wir leben in einer gefährlichen Welt. Die Menschheit ist in der Lage, unglaublich reich zu werden, ist aber im ganzen noch in tiefer Armut. Wir haben große Kriege überstehen müssen, noch größere sogar scheinen immanent und einer von diesen kann durchaus die gesamte Menschheit vernichten. Mag sein, daß wir die letzte Generation der Spezies Mensch sind. Glauben Sie nicht, daß in dieser Situation jede neue Idee sorgfältig und in Freiheit geprüft werden sollte?
    Köstlich und gräßlich zugleich, wie die arrogant-bellende Stimme des Lese-Ringers Stripling Brecht über die «Maßnahme» ins Kreuzverhör nimmt, ungenau liest, Stellen ausläßt und nur auf die Frage hinauswill, ob es ein Stück über den Mord an einem Kommunisten durch drei andere Kommunisten ist. Was Brecht nicht wußte, war, daß Mr. Stripling vier Wochen zuvor Hanns Eisler über dieses Stück verhörte und dieser die Frage bejaht hatte. Brecht hingegen, nach Story, Thema und Helden des Stücks befragt, spricht von einem ganz anderen, von «Der Jasager», das ja dasselbe Nô-Spiel zur Grundlage hat; das aber wiederum merkt Mr. Stripling nicht. Mit derselben «überführenden» Impertinenz fragt Stripling nach Tretjakow, dessen Namen er nicht einmal aussprechen, nur buchstabieren kann, obwohl sein Stück «Brülle, China» unter dem Titel «Roar China» am Broadway gelaufen war. Unter feist bestätigendem Gefeixe des Publikums liest Stripling etwas vor, das er als Interview Tretjakows mit Brecht ausgibt und das Brecht als strengen Marxisten «belastet». Der

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