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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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sich wie schwere Mühlsteine bewegen.
    Am Brunnen herrscht großes Gedränge und Geschrei. Die Leute sind wie irrsinnig vor Durst. Ein Eimer fliegt hoch in die Luft. Von allen Seiten läuft man auf das Geschrei hin zusammen. Die Menge wächst, wächst, wälzt sich bis an den Weg heran.
    … Igor würde einen guten Maler abgeben. Er hat eine sichere Hand, eine schwungvolle Linie, zeichnet gut. Er hat mich und Maximow mal gezeichnet, auf Blättchen eines Notizblocks. Ich bewahre sie in meiner Tasche auf.
    Unsere Bekanntschaft begann mit einer Schimpferei. In Serafimowitsch bei der Aufstellung hatte ich seine Leute zum Ausheben von Schützengräben beordert. Er kam angestürzt, mit offenem Rock, mit schief aufgesetzter Mütze, voll gerechten Zornes. Man hatte ihn gerade zum Leiter des Gasabwehrdienstes in dem Regiment ernannt, wo ich schon seit etwa zwei Wochen Regimentsingenieur war. Mit dem Recht des »Älteren« kanzelte ich ihn ab. Wir sprachen etwa zehn Tage nicht miteinander.
    Später, schon beinahe bei Charkow, sah ich ganz zufällig in seiner Kartentasche ein Album mit Zeichnungen. Damit fing unsere Freundschaft an.
    An uns vorbei zieht eine lange Autokolonne mit kleinen Paks, die bei jedem Schlagloch hochspringen. Die Autos sehen ungewöhnlich gepflegt aus, auf den Türen stehen dicke, sorgfältig gemalte Zahlen: D 3–54–27, D 3–54–26. Das sind nicht die Unseren. Wir haben: D-1. Aus den Wagen baumeln Beine, und sonnverbrannte, stoppelige Gesichter blicken uns an.
    »Welche Armee, Jungens?« – »Welche sucht ihr?«
    »Die achtunddreißigste.«
    »Nein, dann seid ihr falsch gefahren. Erkundigt euch bei der Auskunft …« – Sie lachen.
    Die Autos fahren – eins nach dem andern, eins nach dem andern, gelbe, grüne, braune, bunte; kein Ende abzusehen.
    »Was nun? Wollen wir weitergehen?«
    Igor steht auf und drückt mit dem Absatz den Zigarettenstummel in die Erde.
    »Gehn wir!«
    Wir tauchen unter in dem allgemeinen Strom.
    8
    »He, ihr Helden!«
    Jemand winkt mit der Hand von einem vorüberfahrenden Wagen. Es scheint Kalushskij zu sein, der Gehilfe des Regimentskommandeurs.
    »Kommt her!«
    Wir gehen hin. Tatsächlich, Kalushskij. Er riecht nach
    Wodka. Die Feldbluse ist offen, das glatte Gesicht mit den rasierten Augenbrauen ist rot und glänzt.
    »Steigt ein in meine Equipage! Ich werde euch nach Hause bringen. Auf die Straßenbahn zu warten hat keinen Zweck.« Er streckt die Hand aus, um uns beim Einsteigen zu helfen. »Wollt ihr Wodka? Ich kann euch damit bewirten.«
    Wir danken, haben keine Lust.
    »Schade, ausgezeichneter Wodka. Es ist auch was zu essen da. Wir hatten keine Zeit mehr, die Zusatzrationen auszugeben. Butter, Backwerk, Fischkonserven.« Er zwinkert lustig und klopft uns freundschaftlich auf die Schultern. »Deine Soldaten verteil auf die anderen Wagen. Ich fahre mit der ganzen Bekleidungskammer, fünf Fuhren.«
    »Wohin führt Sie Ihr Weg?« frage ich.
    »So etwas Naives … Wer stellt jetzt noch solche Fragen? Wir fahren, und das ist alles. Wohin willst du?«
    »Ich frage in vollem Ernst.«
    »Und ich antworte in vollem Ernst. Bis Stalingrad werden wir schon irgendwie kommen.«
    »Bis Stalingrad?«
    »Paßt es dir nicht? Willst du nach Taschkent? Oder nach Alma-Ata?«
    Er lacht unbändig, daß seine goldenen Zähne blitzen. Sein Lachen ist ansteckend und saftig. Er selbst ist behäbig, strotzt vor Gesundheit.
    »Hast du die Unseren nicht getroffen?« fragt Igor.
    »Nein, nur Soldaten, und auch von denen nur wenige. Man sagt, daß der Major und der Kommissar tot seien. Maximow soll in einen Kessel geraten sein. Schade um den Menschen, er war ein kluger Kopf. War ja auch Ingenieur …«
    »Wo sind deine Vierecke?« unterbricht ihn Igor und weist mit den Augen auf seinen Kragenspiegel.
    »Abgefallen. Du weißt doch, wie schlecht das Zeug jetzt ist.« Kalushskij kneift die Augen zu. »Heut machst du sie an, und nach zwei, drei Tagen sind sie wieder ab. Alles Ersatz.«
    »Ich glaube, du hattest auch einen Gurt mit Sternschnalle.«
    »Hatte ich, einen guten, sogar mit Koppel. Mußte ihn abgeben, der Divisionsfotograf hat ihn mir abgebettelt. Ihr kennt ihn, den Hinkenden mit dem Stöckchen. War unangenehm, ihm die Bitte abzuschlagen. Hat zu sehr gebettelt. Vielleicht soll ich euch doch hundert Gramm einschenken?«
    Wir lehnen ab.
    »Schade, guter Moskauer Wodka.« Und er trinkt aus der Feldflasche, ißt Butter ohne Brot dazu. »Ein prima Mittel. Man wird nie betrunken. Die Magenwände

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