Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
Vom Netzwerk:
Militärschule marschiert an die Front. Es fehlt an Gewehren. Man nimmt sie einfach den Entgegenkommenden ab. Zwei Leutnants, Georgier, in neuen Infanteriemützen, wollen uns die Maschinenpistolen und Pistolen abnehmen. Zuerst zanken wir uns mit ihnen herum, dann rauchen wir gemeinsam leichten Blatt-Tabak.
    »Marschiert ihr zur Front?«
    »Ja. Gestern haben wir noch gelernt, und heute geht’s schon in den Kampf.« Beide lächeln.
    »Na, heute noch nicht, erst muß man ja an die Fritzen herankommen.«
    »Wo sind denn die Fritzen?« fragen vorsichtig die Leutnants, daß man, Gott behüte, nicht auf den Gedanken kommt, sie fürchten sich.
    »Das wollten wir von euch erfahren. Ihr lest doch Zeitungen.«
    »Ach, Zeitungen … ›Kämpfe im Donbogen.‹ Und das ist alles. Schwere Kämpfe. Woroschilowgrad ist gefallen.«
    »Und Rostow?«
    »Rostow – nein. Davon hat man noch nichts geschrieben …«
    »Noch nichts geschrieben?«
    »Nein, noch nichts.«
    Die Leutnants zögern.
    Einer von ihnen fragt wie nebenbei:
    »Nun, wie ist es dort … an der Front … Wird ordentlich getürmt?«
    »Wer türmt?« Igor macht ein verwundertes Gesicht. »Na, Unsere …«
    »Niemand türmt … Die Kämpfe dauern an, Verteidigungskämpfe.«
    Die Leutnants mustern ungläubig unser abgerissenes Äußere und das Fahrzeug mit den wackligen Rädern.
    »Und ihr?«
    »Was wir?«
    »Seid ihr nicht getürmt?«
    »Warum? Wir fahren zur Neuaufstellung …«
    Die Leutnants lachen und schütten in unsere Kästchen goldenen kaukasischen Tabak.
    »Nehmt uns mit, ihr Jungen, ja?« ruft plötzlich Igor und klopft auf seine Pistolentasche. »Pistolen haben wir, was brauen wir noch …«
    Die Leutnants sehen einander an.
    »Wir halten’s so nicht mehr aus.«
    »Ach, was können wir da tun«, antworten die Leutnants unschlüssig, »wir sind kleine Leute. Geht zum Stabschef, vielleicht nimmt er euch mit. Vielleicht auch … Geht einfach hin. Major Sasanskij. Dort in der Hütte, wo das Fahrzeug mit den grünen Rädern steht.«
    Wir knöpfen unsere Feldbluse zu, schnallen die Riemen fest, lassen aber die Pistolen für alle Fälle da, damit er sie uns nicht abnimmt. Wir gehen.
    »Nehmt vorschriftsmäßige Haltung an. Schont nicht die Hacken!« rufen die Leutnants hinter uns her. »Er kennt alle Vorschriften auswendig.«
    Der Major sitzt in der kleinen Hütte, ißt Kohlsuppe mit Sahne gleich aus dem Topf. Daneben liegt auf dem Tisch eine Brille.
    »Was wollen Sie?« fragt er, ohne aufzublicken, und kaut mühsam das offenbar zähe Fleisch.
    Wir stehen stramm, Hände an der Hosennaht, erklären ihm alles – soundso steht die Sache. Er kaut seinen Bissen zu Ende, legt den Löffel auf den Tisch und setzt die Brille auf. Er sieht uns lange an und stochert dabei mit einem Streichholz in den Zähnen.
    »Was soll ich Ihnen sagen, Freunde?« sagt er mit tiefem, rollendem Baß. »Ich kann Ihnen nichts Gutes sagen. Glauben Sie, Sie wären die ersten? Teufel noch mal! Mindestens zehn, ach, was sage ich, fünfzehn solche wie Sie sind schon bei mir gewesen. Wohin soll ich mit euch? Als Gemeine wollt ihr doch nicht bei uns eintreten, und Offiziere habe ich ohnehin schon zwei für jeden Zug, und in der Reserve noch etwa zehn. Verstehen Sie jetzt?«
    Wir schweigen.
    »So ist es, wie Sie sehen. Ich wäre froh, wie man so sagt, aber …« Er nimmt wieder den Löffel zur Hand.
    »Aber dennoch, Genosse Major.«
    »Was denn, dennoch?« Er erhebt die Stimme. »Was soll das heißen, ›dennoch‹? Sind Sie beim Militär oder nicht? Ich habe nein gesagt und damit Schluß. Ich habe ein Regiment und kein Arbeitsamt, verstanden? Kehrt, marsch!« und fügt mit einer ein wenig weicheren Stimme hinzu: »Haltet euch in der Richtung auf Stalingrad. Man sagt, daß in Stalingrad jetzt der ganze Stab ist. Welcher Armee gehören Sie an?«
    »Der achtunddreißigsten, Genosse Major.«
    »Der achtunddreißigsten … achtunddreißigsten.« Er streicht mit dem kleinen Finger über das Nasenbein. »Irgend jemand hat mir gesagt … ich weiß nicht mehr, wer … aber tatsächlich, irgend jemand hat mir gesagt … Versucht, nach Kotelnikowo zu gelangen. Das liegt auf dem Wege. Ihre Armee befindet sich dort. Gehen Sie nun …« Und er beschäftigt sich wieder mit seinem Topf.
    Wir grüßen und gehen davon.
    In Kotelnikowo sagt man uns, daß der Stab in Abganerowo sei. In Abganerowo finden wir ihn nicht. Man schickt uns nach Karpowka. Dort finden wir ihn auch nicht. Ein Hauptmann sagt uns, er habe gehört,

Weitere Kostenlose Bücher