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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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aufgehängt. Mir schien, als ob es nichts Schrecklicheres und Grandioseres geben könne.
    Jetzt kommt mir dieses Bild wieder in den Sinn. Es war nicht schlecht gezeichnet. Noch genau erinnere ich mich an jedes Detail, an jeden Schnörkel der Rauchwolken, und auf einmal wird mir ganz klar, wie unzulänglich und unbeholfen die Kunst manchmal ist. Keine Rauchwolken, keine Feuerzungen, die am Himmel lecken, kein unheilverkündender Widerschein vermag das Gefühl wiederzugeben, welches ich jetzt empfinde, während ich am Ufer dem brennenden Stalingrad gegenübersitze.
    Am anderen Ufer tobt der Kampf. Salven mit Leuchtspurmunition aus Maschinengewehren und Maschinenpistolen streifen beinahe das Ufer. Sollte der Deutsche wirklich bis ans Wasser vorgedrungen sein? Einige lange Feuerstöße kommen über die Wolga auf diese Seite.
    Hinter uns schießt eine »Katjuscha«. Die glühenden Geschosse fliegen ohne Eile, überholen einander im zittern den Feuerschein des Himmels und schlagen am gegenüberliegenden Ufer ein. Die Explosionen sind nicht zu sehen. Man sieht nur das Aufleuchten, und dann ertönt das Krachen.
    An meiner Seite spuckt und krächzt jemand befriedigt. Ich bemerke jetzt erst, daß neben uns, lang ausgestreckt, Soldaten liegen.
    »Hast du’s noch geschafft, den Wallach zu beschlagen?« fragt jemand, der dicht neben mir liegt.
    »Ja. Und du?«
    »Den ›Hahnenfuß‹ habe ich noch geschafft, aber beim Rappen nur die beiden Vorderfüße. Er hat eine Wunde und war störrisch …«
    Der Bataillonskommandeur kommt, schwer atmend.
    »Wahrhaftig, man kann verrückt werden bei diesen Übergängen. Fünf Jahre älter wird man dabei.« Er schneuzt sich laut. »Der General ist dagewesen. Hat klar gesagt: erst wir – und dann die Neunundzwanzigste. Ist nur für einen Augenblick beiseite gegangen, da haben sie schon ihre Kisten draufgewälzt. Siehst du, die Artillerie haben sie nämlich hin - übergeschafft und die Munition auf dieser Seite gelassen. Wer mag sie gestört haben? Ich zum Beispiel führe auf jeder Kanone die Munition mit. Herrgott im Himmel, wieder dieser Teufel!«
    Der Kommandeur verschwindet aufs neue. Man hört, wie er jemanden beschimpft. Er kehrt wieder zurück.
    »Nun gut … ist ja alles Quatsch. Wir werden schon irgendwie hinübergelangen. Wichtig ist nur, wie es drüben aussieht …«
    Es stellt sich heraus, daß das Regiment den Befehl erhalten hat, um zwei Uhr mit dem Übersetzen fertig zu sein und um vier Uhr die beinahe aufgeriebene Division am anderen Ufer im Bezirk »Metis«-Mamai-Hügel abzulösen. Jetzt ist es schon ein Uhr, und noch nicht ein Bataillon ist auf die andere Seite hinübergelangt. Drüben sind nur Pioniere, Spähtrupps und die Operativgruppe des Stabes. Der Regimentskommandeur und der Stabschef sind anscheinend auch dort. Hauptsache, die gesamte Artillerie, die Fünfundvierzig- und Sechsundsiebzig-Millimeter-Geschütze, die dem Bataillon zugeteilt sind, kommt bis zum Morgengrauen in die vorderste Linie – für direkten Beschuß.
    »Gut«, sage ich. »Du gibst mir zwei Kompanien und die Panzerabwehrabteilung, und du mit einer Kompanie kümmerst dich um die Artillerie. Wieviel Mann sind denn in einer Kompanie?«
    »An hundert Mann.«
    »Ausgezeichnet. Also abgemacht. Gib mir nur genau den Bestimmungsort an.«
    »Hier dieses Teufelsdreieck auf der Karte. Ehrlich gesagt, denke ich, daß dort niemand mehr lebt. Von jener Division sind nicht mehr als hundert Mann am Leben. Sie kämpfen schon zwei Wochen auf dem anderen Ufer …«
    Er spuckt kräftig aus und läuft wieder fort, um mit jemandem zu schimpfen. Er hat eine Stimme, die wahrscheinlich am anderen Ufer zu hören ist.
    Der Schleppdampfer kommt. Er ist klein und niedrig, als ob er sich absichtlich im Wasser verstecke, um nicht gesehen zu werden.
    Im Schlepptau hat er einen breiten, plumpen Kahn mit einem langen, herausragenden Steuer.
    Der Schleppdampfer kann lange Zeit nicht anlegen. Er fährt rückwärts, peitscht mit der Schraube das Wasser. Endlich legt er die Laufplanken aus. In langer Kette kommen Verwundete herunter. Es sind viele. Erst die Gehfähigen, dann die auf den Tragbahren. Man trägt sie hinter die Büsche; von dort ist das Hupen von Autos zu hören.
    Dann werden Kisten verladen und Kanonen hinaufgezogen; die Pferde stampfen über die Laufplanken, eins rutscht aus, wird aus dem Wasser gezogen und weitergeführt. Allen Befürchtungen zum Trotz geht alles ruhig und organisiert vor sich.
    Wir stoßen ab, als es

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