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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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Sie, den Divisionsingenieur zu finden, und dann erst zum Regiment. Sie werden es schon selber sehen …«
    Die übrigen erhalten einen gemeinsamen Marschbefehl zum Stab der Pioniertruppen der 62. Armee.
    »Der Stab ist auf der anderen Seite. Gestern waren sie in der Bannyj-Schlucht, jetzt sind sie anscheinend woanders gelandet. Aber im gleichen Abschnitt. Suchen Sie!«
    »Sind in der Hundertvierundachtzigsten keine Pioniere mehr nötig?« fragt Igor. »Sie sagten, daß dort der Zugführer ausgefallen sei.«
    Der Major sieht Igor durch seine dicken Brillengläser an, und seine Augen erscheinen groß und rund wie die eines Vogels.
    »Sie sind Oberleutnant. Wir schicken Sie als Ingenieur. An Ingenieuren hapert’s jetzt bei uns am meisten«, und er fügt noch hinzu, nachdem er sich mit dem Bleistift den Nasenrücken gekratzt hat: »Es wird für Sie alle mit Ausnahme des Genossen, der zur Hundertvierundachtzigsten geht, das gescheiteste sein, hier zu warten. In der Nacht wird jemand von der Zweiundsechzigsten herkommen, um Spaten zu holen. Sie werden mit ihm fahren. Lagern Sie sich vorläufig hier unter den Espen.«
    Wir legen uns unter die Espen.
    »Gehst du zu Fuß?« fragt Igor.
    »Ich gehe bis zum Verkehrsposten, und dort werde ich schon sehen.«
    »Ich begleite dich.«
    Ich verabschiede mich von Schapiro, Pengaunis und Samoilenko. Sedych drückt lange mit seiner rauhen Handfläche meine Hand.
    »Genosse Leutnant, wir sehen uns wieder.«
    »Gewiß«, antworte ich betont forsch, wie immer beim Abschiednehmen. Ich hätte ihn mit Vergnügen in meinen Zug genommen.
    Nach einigen Minuten holt er uns ein.
    »Genosse Leutnant, nehmen Sie mein Etui. Sie haben Ihres nicht mehr fertigmachen können, und meins ist gut, ein doppeltes.«
    Er drückt mir ein durchsichtiges gelbes Etui von solchem Ausmaß in die Hand, daß ich nicht sicher bin, ob es in meine Tasche hineinpassen wird: gut ein halbes Pfund Tabak kann es fassen. Er drückt mir wieder die Hand, dann Walega, dann wieder mir. Es tut mir weh, mich von ihm trennen zu müssen.
    Schweigend gehen wir bis zum Verkehrsposten.
    »Die Hundertvierundachtzigste ist noch nicht vorbeigekommen. Ein Pionierbataillon ist vorhin vorbeimarschiert; sonst habe ich nur Autos gesehen«, sagt der Verkehrsposten, ein älterer Mann mit einem spärlichen rötlichen Tatarenschnurrbart und großen, wie Flügel abstehenden, staubbedeckten Ohren.
    Wir setzen uns auf ein zertrümmertes Auto und rauchen. Die Sonne ist schon untergegangen, aber es ist noch hell. Im Westen über Stalingrad ist der Himmel ganz rot, und es ist schwer zu sagen, ob von der untergehenden Sonne oder von den Bränden. Drei schwarze Rauchsäulen lösen sich langsam in der Luft auf. Unten sind sie schmal, dicht und schwarz wie Ruß. Je höher sie steigen, desto mehr zerfließen sie, und ganz hoch oben verschwimmen sie zu einer einzigen langen Wolke. Sie ist flach und unbeweglich, und obgleich immer neue und neue Rauchmengen dazukommen, wird sie weder länger noch dicker. So steht sie schon länger als zwei Wochen still und reglos über der brennenden Stadt.
    Ringsherum aber stehen goldene Espen auf schwarzem Hintergrund, schlank und zart. Auf der Landstraße fahren Autos vorbei. Man macht halt und fragt, wo der Weg zur Überfahrt der Zweiundsechzigsten oder zum Vorwerk Rybatschij ist, und fährt weiter. Die Straße ist breit, ausgefahren, über und über mit Reifenspuren bedeckt. Es ist schwer festzustellen, wo der Rand ist und wohin der Weg abbiegt. Der stachelige Wegweiser hat einst am Straßenrand gestanden. Jetzt steht er mitten auf der Fahrbahn. Jemand ist auch schon dagegengefahren. Nun steht er schief, und der Arm mit der Aufschrift »Stalingrad – 6 km« weist gen Himmel.
    »Der Weg ins Paradies«, sagt Walega finster.
    Also ist er auch nicht ohne Humor, das habe ich nicht gewußt.
    Der Verkehrsposten kommt herbei.
    »Daaa – Kraniche!« Er zeigt mit seinen schmutzigen krummen Fingern nach dem Himmel. »Für die gibt es keinen Krieg … Sind Sie nicht reich an Tabak, Genosse Offizier?«
    Wir geben ihm zu rauchen und verfolgen lange das wie mit Perlen in den Himmel gestickte Dreieck von Kranichen, die nach dem Süden ziehen. Man hört sie sogar krächzen.
    »Ganz wie die Junkers«, sagt der Verkehrsposten und spuckt aus. »Es ist wirklich widerlich anzusehen …«
    Diese Gedankenverbindung ist anscheinend uns allen eingefallen, und wir lachen.
    »Na? Nach vorn? Oder kommen Sie von dort?« fragt der Posten und hält

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