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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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sie brummen und brummen, und man bekommt sie nicht zu Gesicht.
    Der »Kukurusnik« ist direkt über unseren Köpfen. Er fliegt eine Runde, sucht gewiß das Ziel. Die Deutschen fangen an zu schießen, hinter dem Hügel hervor. Scheinwerferstrahlen sieht man nicht. Mit Scheinwerfern kann man ihn auch nicht einfangen, dazu fliegt er zu niedrig.
    Gleich wird er abwerfen …
    Man könnte meinen, er stelle absichtlich unsere Geduld auf die Probe.
    Der Major hat angerufen, daß nur ein Flugzeug kommen wird. Es wird zweimal bombardieren, dann fünf bis zehn Minuten kreisen, um uns die Möglichkeit zu geben heranzukriechen.
    Der »Kukurusnik« macht eine zweite Runde. Ich bilde mir ein, der Soldat müsse hören, wie mein Herz klopft. Ich bin aufgeregt. Für mein Leben gern möchte ich jetzt rauchen. Wenn ich allein wäre, würde ich mich hinhocken und es tun.
    Der »Kukurusnik« wirft seine Bomben ab. Sie knattern wie Knallbüchsen. Ein wenig zu hoch. Die deutschen Gräben sind näher. Aber dort scheinen die Maschinengewehre zu sein.
    Noch eine Runde … Die zwischen die Zähne geklemmte Signalpfeife ruft Speichelbildung hervor. Mit solchen schalmeienähnlichen Pfeifen zeigen die Schiedsrichter beim Fußballspiel die Tore an.
    Der »Kukurusnik« wirft wieder ab. Dieses Mal direkt über den Gräben. Wir ziehen die Köpfe ein. Einige Splitter jagen mit ihrem charakteristischen Pfeifen über unsere Gräben hinweg. Einer summt lange über uns, genau wie eine Hummel, und fällt gerade auf die Brustwehr zwischen mir und dem Soldaten nieder. Er ist so heiß, daß man ihn nicht in die Hand nehmen kann, klein und gezackt. Ich weiß nicht, warum mir eine Gänsehaut über den Rücken läuft.
    Der »Kukurusnik« streut aus dem Maschinengewehr mit schnellen, kurzen Salven; als ob er spucke.
    Es ist Zeit!
    Ich gebe das Zeichen, decke die Trillerpfeife dabei kaum mit der Hand zu. Lausche. Man hört, wie rechts Lehmklumpen rollen.
    Werden wir die Höhe nehmen oder nicht? Unmöglich, sie nicht einzunehmen. Ich entsinne mich der Augen des Divisionskommandeurs, als er sagte: »Nun, dann wirst du sie einnehmen.«
    Ich nehme die Maschinenpistole vom Hals und krieche nach unten. Das Minenfeld bleibt hinter mir. Die Kanone steht etwa zwanzig Meter abseits. Links von mir sind noch drei Soldaten. Sie wissen, daß sie dorthin nicht dürfen. Ich habe sie gewarnt. Ich sehe sie nicht, höre sie nur kriechen.
    Der »Kukurusnik« kreist noch immer. Keine Raketen. Die Deutschen fürchten, sich zu verraten. Das ist gut so.
    Vielleicht wird er noch einmal bombardieren? Vielleicht liegt eine Verwechslung vor? Nicht zweimal, sondern dreimal … Solche Irrtümer kommen manchmal vor.
    Ich krieche über die Sohle der Schlucht hinweg, klammere mich an die Sträucher und krieche am gegenüberliegenden Hang hoch. Daß ich nur nicht unversehens auf die Deutschen stoße … Allerdings hat Tschumak gesagt, ihre Gräben fingen erst hinter den Büschen an. Rechts knacken Zweige. Die Büsche sind trocken. Wie unvorsichtig!
    Ich krieche. Immer höher und höher. Gebe mir Mühe, nicht zu atmen. Warum, weiß ich nicht. Als ob jemand meinen Atem hören könnte. Vor mir leuchtet ein Stern, ein großer, heller, unbeweglicher, der Bethlehemstern. Ich krieche gerade auf ihn zu.
    Auf einmal – tack-tack-tack-tack … unmittelbar über meinem Ohr. Ich presse mich in die Erde hinein. Mir will es scheinen, als ob ich sogar den Wind spürte, den die Kugeln hervorrufen. Hol’s der Teufel, wo steht dieses Maschinengewehr?
    Ich hebe den Kopf. Man kann nichts unterscheiden … Irgend etwas zeichnet sich ab. Ringsum Stille. Weder Knacken noch ein anderes Geräusch. Der »Kukurusnik« ist schon weit hinten. Gleich werden die Deutschen anfangen, ihr Vorfeld zu beleuchten.
    Ich verspüre einen Niesreiz. Mit aller Kraft presse ich die Nase mit den Fingern zusammen. Reibe den Nasenrücken. Krieche weiter. Die Sträucher liegen schon hinter mir. Gleich werde ich auf die Gräben stoßen, auf die deutschen Gräben … Noch fünf bis zehn Meter … Es ist nichts da. Ich krieche vorsichtig, taste mit den Händen den Boden vor mir ab. Die Deutschen lieben es, die Minen unregelmäßig zu verstreuen. Von irgendwoher, förmlich aus der Erde, dringen Foxtrottklänge zu mir, Saxophon, Klavier und noch etwas, ich weiß nicht, was …
    Tack-tack-tack-tack …
    Wieder ein Maschinengewehr. Aber schon hinter mir. Was ist das für ein Spuk? Sollte ich wirklich vorbeigekrochen sein? Ein erstickter Schrei. Ein

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