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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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davon gesehen.«
    »Der Kandidat ist jemand, den Sie kennen müssen. Hauptmann Nikolai Isakow. Er ist Kriminalpolizist bei der Miliz in Moskau, aber er war ein Schwarzbarett aus Twer. Hat es zu etwas gebracht in der Welt, dieser Nikolai Isakow.«
    »Ermitteln Sie gegen ihn?«
    »Ich stelle nur ein paar Fragen. Zum Beispiel: War Hauptmann Isakow ein kompetenter Offizier?«
    »Was für eine Frage. Mehr als kompetent. Ein vorbildlicher Offizier. Wir haben ihn immer als Beispiel präsentiert.«
    »Er war schließlich der Held der Sunscha-Brücke. Wie vermutlich alle Männer unter seinem Kommando an diesem Tag am Fluss. Lauter Helden, und alle aus Twer.«
    »Die Leute in Twer sind Patrioten«, sagte Agronski.
    »Sechs Schwarze Barette gegen fünfzig schwer bewaffnete Rebellen mit einem gepanzerten Mannschaftstransporter und zwei Lastwagen. Was war das Ergebnis? Dreizehn, vierzehn tote Terroristen … »
    » Vierzehn.«
    »Vierzehn tote Terroristen - und nur ein Schwarzbarett verwundet. Erstaunlich. Das war ein Kampf, der einem Offizier Ansehen und eine Beförderung einbringen kann, zumal in einer Zeit, als aus Tschetschenien so wenige gute Nachrichten kamen. Aber es gab keine einzige Auszeichnung.«
    »So etwas kommt im Krieg vor. Manchmal nur, weil Unterlagen oder Zeugen fehlen.«
    »Und deshalb gibt es einen Empfehlungsausschuss, der die Auszeichnungen überprüft. Sie waren der Vorsitzende des Ausschusses, der den Schwarzen Baretten von der Sunscha-Brücke jeden Orden und jede Beförderung verweigerte. Warum?«
    »Erwarten Sie, dass ich mich daran noch erinnere? Der Ausschuss bearbeitet Hunderte von Empfehlungen, und zwar auf einer großzügigen Basis. Die regulären Streitkräfte bestehen aus Jungen, aus Wehrpflichtigen, den Ärmsten und Dümmsten, den zehn Prozent, die sich vor dem Wehrdienst nicht drücken konnten, dem einen Prozent echter Patrioten. Sie verdienen, dass man sie auszeichnet. Wenn sie eine Kugel in den Arsch bekommen, werden sie ausgezeichnet. Wenn sie für ihren Offizier ein Huhn klauen, werden sie ausgezeichnet. Wenn sie getötet werden, schickt man ihre Körperteile in einem versiegelten Sarg nach Hause, mit einer Auszeichnung.«
    »Und warum ist eine echte Schlacht dann nicht auch den einen oder anderen Orden wert?«
    »Wer weiß? Das ist Monate her.« Agronski schaute weg. »Es ist ja nicht so, als hätte ich meine Akten mit nach Hause nehmen dürfen.«
    »Es war Ihr letzter Fall. Eine Woche nach Ihrem Urteil sind Sie in Pension gegangen. Nach dreißig Jahren gehen Sie plötzlich in Pension.«
    »Vor dreißig Jahren war alles noch anders. Damals waren wir eine Armee.«
    »Erzählen Sie mir von Isakow.«
    Agronskis Augen wichen plötzlich nicht mehr aus. »An dem Bericht war etwas faul.«
    »Inwiefern? »
    »Hauptmann Isakow meldete ein Gefecht zwischen Rebellen auf der einen Seite der Brücke und seinen Leuten auf der anderen. Die medizinische Untersuchung ergab, dass alle Rebellen aus nächster Nähe erschossen worden waren, ein paar von hinten und einer oder zwei beim Essen. Dort, wo die Rebellen angeblich erschossen worden waren, fand sich kein Blut auf der Vegetation. Kein Blatt war zerfetzt, das Laub war nicht einmal in Unordnung. Zweifellos hatte Isakow vorgehabt, die Leichen auf überzeugendere Weise zu arrangieren, aber dann näherte sich ein Hubschrauber der Landezone. Ein Journalist, der in diesem Hubschrauber saß, hat mir die Szene beschrieben.«
    »Das war Ginsberg?«
    »Ja.«
    »Gab es richtige Zeugen?«
    »Nur eine, eine Zivilistin, und Sie war überhaupt keine Hilfe.«
    »Was hat sie ausgesagt?«
    »Das werden wir nie wissen. Sie war Ukrainerin. Sie ging
    dann nach Kiew zurück.«
    »Wie hieß sie?«
    »Kafka, wie der verrückte Schriftsteller.«
    Nah genug, dachte Arkadi. Er hielt den Atem an, bevor er
    die nächste Frage stellte.
    »Gibt es Fotos vom Schauplatz des Feuergefechts?«
    »Nur die, die Ginsberg gemacht hat.«
    »Vom Hubschrauber aus?«
    »Seine Kollegen sagten, er habe immer eine Kamera bei sich gehabt, für alle Fälle. Die Bilder widersprechen Isakows und Urmans Aussage diametral.«
    »Gibt es Leute in Twer, die davon wissen?«
    »Von mir wird es niemand erfahren. Habe ich erwähnt, dass die Rebellen zwei Wochen vor dem Zwischenfall an der Brücke acht Schwarze Barette gefangen nahmen und Videoaufnahmen von ihnen machten, erst lebend und dann tot? Die Mütter haben ihre Söhne nicht wiedererkannt. Sie waren alle aus Twer. Erwarten Sie in dieser Stadt keine

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