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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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gespitzten
    Ohren entgegenkam.
    »Hören Sie ihn kommen?«, fragte er Arkadi.
    Eine ferne Kanonade schwoll an und verhallte wieder. »Ich glaube, es donnert«, sagte Arkadi.
    »Und wo ist dann der Blitz?«
    »Zu weit weg.«
    »Aha! Mit anderen Worten, Sie nehmen es nur an.«
    »Ich vermute es, ja«, gab Arkadi zu. »Wollen Sie nicht raus aus dem Regen?«
    »Großvater geht nicht weg.« Rudi kam mit einem Bier in der Hand auf sie zu. »Er ist fest entschlossen hierzubleiben. Und er ist nicht der Einzige.«
     
    Arkadi schaute zwischen den Zelten hindurch und sah noch andere Gestalten, die wie Wachtposten im Regen standen. Zwischen Patriotismus und Getreideschnaps, dachte er, würde ganz sicher bald Stalin auftauchen.
    Am Untersuchungszelt kam große Unruhe auf. Die Moderatorin Lydia wurde plötzlich von Fernsehscheinwerfern angestrahlt. Neben ihr stand eine ältere Frau mit scharfen Augen und einem sarkastischen Lächeln. Arkadi erkannte die Wohnungsmaklerin, Sofia Andrejewna. Ihm fiel ein, dass sie erwähnt hatte, Ärztin zu sein; sie hatte ihn davor gewarnt, ihr Patient zu werden. Jetzt trug sie einen sauberen weißen Kittel. Die Ausgräber drängten sich um sie herum, und Jungen saßen auf den Schultern ihrer Väter. Die Leute hielten ihre Fotohandys hoch und machten Videoaufnahmen; es sah aus, als salutierten sie vor den Helden, die endlich aus den Klauen der Erde befreit worden waren. Sollte es doch regnen! Jedes Gesicht leuchtete vor Eifer. Arkadi ging zu Wiley und Pacheco, die am hinteren Rand der Menge standen. Schenja hatte einen Stuhl gefunden, auf dem er stehen konnte. Urman machte für Isakow den Weg frei.
    »Bei den meisten Wahlkämpfen frage ich mich am Ende, welche Gelegenheit ich versäumt habe«, sagte Wiley zu Arkadi. »Was hätte ich tun können, was ich nicht getan habe? Aber das hier ist, als ob man die Bank in Monte Carlo sprengt. Sie sollten sich auch freuen. Jetzt, da Nikolai Immunität genießt, wird er Sie sicher in Ruhe lassen.«
    Arkadi kam zu dem Schluss, dass Wiley dümmer war, als er aussah.
    »Können mich alle hören? Gut. Ich bin Doktor Sofia Andrejewna Poninski, emeritierte Pathologin im Zentralkrankenhaus von Twer. Man hat mich gebeten, an dieser Massenexhumierung teilzunehmen und meine Ansicht über die Identität der gefundenen Toten mitzuteilen. Nicht unbedingt individuell, aber als Gruppe. Im Leichenschauhaus könnte ich sehr viel detailliertere Untersuchungen vornehmen, aber wie ich höre, brauchen Sie hier und jetzt eine schlüssige Aussage. Also gut.
    Ich habe die Überreste von zwanzig Personen untersucht, mehr oder weniger. Ich sage >mehr oder weniger<, denn offensichtlich sind viele der sogenannten Leichen aus zwei, drei oder sogar vier verschiedenen Skeletten zusammengesetzt. Das ist allerdings eines der Risiken, wenn Amateure sich an einer Aufgabe versuchen, die man lieber ausgebildeten Spurensicherungsexperten überlassen sollte. Ich kann deshalb nur ungefähre Angaben zu diesen fehlerhaft behandelten menschlichen Überresten machen.
    Erstens, alle zwanzig Beckenknochen, die ich gesehen habe, waren männlich.
    Zweitens, aufgrund der Knochendichte und der Abnutzung des Zahnschmelzes kann ich sagen, dass ihr Alter zum Zeitpunkt des Todes zwischen annähernd zwanzig und siebzig Jahren lag.
    Drittens, aus den Unterschieden in der Knochendichte geht hervor, dass einige aktiv und sportlich waren, andere eher eine sitzende Lebensweise pflegten.
    Viertens, die Skelette - so, wie sie mir vorlagen - wiesen keinerlei Verletzungen bis auf ein einzelnes Einschussloch am Hinterkopf auf. Es ist möglich, dass sie Fleischwunden davongetragen haben, die nicht mit einem Knochentrauma verbunden waren. Die Abwesenheit solcher Traumata deutet zudem darauf hin, dass die Opfer keinen körperlichen Misshandlungen unterzogen wurden. In zwölf Fällen finden sich am Schädelknochen Brandspuren wie bei einer Erschießung aus allernächster Nähe, was außerdem vermuten lässt, dass die Opfer nacheinander erschossen wurden, nicht als wimmelnde Menge, und dass die Opfer woanders erschossen und dann hierher transportiert wurden. Die Lage der tödlichen Schussverletzungen - zwölf Grad unterhalb des Kranialäquators, mit anderen Worten, unterhalb des Hinterkopfes auf der rechten Seite - war in allen Fällen bemerkenswert ähnlich und legt die Möglichkeit nahe, dass ein einzelnes, rechtshändiges Individuum die Exekutionen durchgeführt hat, auch wenn zweifellos Komplizen im Spiel waren.  

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