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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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mehr Ähnlichkeit mit einem Kloster als mit einem Palast. Eine Putzfrau schlitterte auf Aufnehmern über ein nasses Stück des Bodens; sie kam ungefähr genauso schnell voran wie Platonow.
    »Sind Sie sicher, dass Sie sich das zutrauen?«, fragte Arkadi.
    »Einen falschen Stalin treffen? Das ist ein idiotischer Streich.
    Haben Sie Schenja gefunden?«
    »Nein.«
    »Werden Sie auch nicht. Nicht, bevor er dazu bereit ist.« Platonow betrat die abwärtsfahrende Rolltreppe, setzte sich hin, um den Stiefelwechsel zu vollenden, und stand dann wieder auf und steckte seine Mütze in die Tasche. Aus der anderen Tasche zog er einen weißen Seidenschal und warf ihn sich um den Hals. Wolken von großzügig versprühtem Eau de Cologne vervollkommneten die Erscheinung eines Bonvivants, eines weltgewandten Mannes.
    Vor ihnen eilte ein Mann mit einem Geigenkoffer die Treppe hinunter. Ein alter Mann hinter ihnen mit einer ehemals eleganten Astrachanmütze trug galant die Handtasche seiner Frau, während sie sich mit gespitzten Lippen Rouge auf die Wangen legte.
    »Nervös?«, fragte Arkadi.
    »Nein«, antwortete Platonow zu schnell und wiederholte: »Nein.« Mit seiner heroischen Adlernase hätte er ein römischer Senator sein können - oder ein König Lear, den seine undankbaren Töchter hinausgejagt hatten, damit sie Schach spielen konnten. » Warum sollte ich nervös sein? Ich fahre jeden Tag mit dieser U-Bahnlinie. Sie wurde von Freiwilligen gebaut, in der schwersten Zeit der dreißiger Jahre und des Krieges. Sie können es sich heute nicht mehr vorstellen, aber wir waren damals Idealisten. Alle - Männer und Frauen, die jungen Kader der Partei, wetteiferten darum, die Metrotunnel graben zu dürfen.«
    » Von den Zwangsarbeiterbrigaden gar nicht zu reden.«
    »Einige Sträflinge haben sich durch Zwangsarbeit rehabilitieren können, das stimmt.«
    » Wobei mir einfällt - hat jemand die Kommunisten informiert, dass Stalin wieder da ist? Ich glaube, man würde den Papst informieren, wenn der heilige Petrus in den Straßen Roms gesichtet würde.«
    »Staatsanwalt Surin, der die Interessen und Sorgen der Partei kennt, hat uns höflichkeitshalber in Kenntnis gesetzt. Man hat mich delegiert, damit ich einen Bericht verfasse.«
    »Sie sind also nicht nur Schachlehrer und -spieler, sondern auch noch Parteibürokrat?«
    »Ich habe Ihnen schon im Schachclub gesagt, dass ich gute Beziehungen habe.«
    » Ja, da bin ich sicher.« Jeder, der bei Verstand war, wäre vor diesem Auftrag davongelaufen, dachte Arkadi. »Und Sie haben mich ausgesucht?«
    »Mir war, als entdeckte ich einen Schimmer von Intelligenz.« Platonow seufzte. »Vielleicht habe ich mich geirrt.«
    Der Zug hatte den Bodensatz des Abends eingesammelt: Ein betrunkener Offizier der Grenzgarde glotzte geil zu vier Prostituierten hinüber, die in ihren dünnen Jäckchen und hochhackigen Stiefeln fröstelten. Arkadi und Platonow setzten sich auf das eine Ende der Bank, der Mann mit der Astrachanmütze und seine Frau auf das andere. Der Geiger hatte ein rundes Gesicht und einen spärlichen Bart a la ehe Guevara. Er ließ sich auf einen Eckplatz fallen, legte den Geigenkoffer quer über seine Knie und schlug ein Buch auf. Arkadi rechnete nicht damit, dass viele Fahrgäste im letzten Wagen sein würden; die Metro war zwar berühmt für ihre Sicherheit, aber je später die Stunde, desto mehr Leute strebten in den vorderen Teil des Zuges.
    Als die Türen sich schlossen, stürzte Selenski , der Filmemacher, herein und setzte sich auf einen Platz am hinteren Ende. Er verströmte eine nervöse Energie. Ein düsterer schwarzer Ledermantel betonte seine dürre Gestalt. Sein krauses Haar sah aus wie elektrisch geladen, und an seinen Ohren hingen die Schnüre eines iPod. Als der Zug den Bahnhof verließ, schob er eine Sporttasche unter den Sitz. Falls er Arkadi erkannte, ließ er es sich nicht anmerken.
    Die Station Park Kultury verschwand hinter ihnen; als Nächstes kamen Krapotkinskaja, Lenin-Bibliothek, Ochotny Rjad, Lubjanka und Tschistyje Prudi. Der kaum besetzte Zug schoss schwungvoller als sonst durch den Tunnel. Die Fenster wurden zu Spiegeln. Ein blasser Mann mit tiefliegenden Augen saß Arkadi gegenüber. Niemand sollte sich selbst ins Auge sehen müssen, dachte Arkadi - nicht in der letzten U-Bahn der Nacht.
    Platonow verbreitete sich noch immer über die Pracht der Metro, über weißen Marmor aus dem Ural, schwarzen Marmor aus Georgien und rosaroten Marmor aus Sibirien. Im Bahnhof 

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