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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ich gespannt. Wie ist es dann?«
    »Es ist eine unerledigte Angelegenheit.«
    »Und du kannst sie nicht erledigen?«
    »So einfach ist das nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Als ich in Tschetschenien war, hat Nikolai Isakow mich gerettet. »
    »Sag mir noch mal, warum du da warst. Du bist keine Tschetschenin oder bei der russischen Armee.«
    »Jemand musste dort sein. Ärzte mussten dort sein. Es gab internationale medizinische Organisationen.«
    »Aber du warst allein da.«
    »Ich mag keine Organisationen. Außerdem war ich ein bewegliches Ziel auf meinem braven Motorrad.«
    »Wolltest du dich umbringen lassen?«
    »Du vergisst, dass ich eine Überlebende bin. Außerdem ließ er wissen, dass er jedem die Kehle durchschneiden würde, der mir ein Haar krümmte.«
    »Dafür bin ich dankbar.«
    Sie beobachtete, ob er zusammenzuckte. »Und ich habe meinen Dank auf traditionelle Weise zum Ausdruck gebracht.«
    »Sicher wohlverdient. Also ist Isakow ein Held im Bett und anderswo. »
    »Jeder machte irgendwelche Geschäfte. Panzerkommandanten verkauften Sprit, Soldaten tauschten Munition gegen Wodka und kamen in Särgen nach Hause, die mit Drogen voll gestopft waren. Nikolai war anders.«
    »Warum verschwendest du dann deine Zeit mit mir?«
    »Ich wollte mit dir zusammen sein.«
    »Aber das wird ein bisschen eng, findest du nicht? Zu zweit ist man ein Paar, aber wenn es mehr werden … Immerhin, ich weiß die ehrenden Abschiedsworte zu schätzen.« Das war das Gehässigste, was ihm einfiel, und mit Genugtuung sah er das Brennen in ihren Augen.
    Das Telefon klingelte wieder, und eine Stimme - nicht Surins Stimme - sagte zum Anrufbeantworter: »Eva, nimm ab. Ich bin’s, Nikolai.«
    Jetzt war es Arkadi, der glühte.
    »Eva«, sagte der Mann. »Kannst du reden? Hast du es ihm gesagt?«
    »Ist das Isakow?«, fragte Arkadi. »Ich muss rangehen«, sagte Eva.
    Sie schlang ein Laken um sich, bevor sie den Hörer abnahm.
    Die Telefonschnur war zu kurz, und Eva wandte sich ab und flüsterte. Arkadi fand das Nacktsein plötzlich lächerlich und den Geruch von Sex erstickend.
    Was verlangte die Etikette, wenn man Hörner aufgesetzt bekam? Sollte er die beiden ungestört reden und sich aus seinem eigenen Schlafzimmer vertreiben lassen? Er und Eva waren schließlich nicht verheiratet. Es war klar, dass sie körperlich immer noch so tun konnte, als wären sie ein Liebespaar, und von Zeit zu Zeit, zumindest bis heute Abend, konnte sie fröhlich genug schäkern, um Hoffnungen bei ihm zu wecken, aber dieses Spiel erforderte immer mehr Anstrengung. Es kam selten vor, dass ihre Arbeitszeiten zusammenfielen, denn sie plante ihre Dienste eher so, dass sie Arkadi aus dem Weg gehen konnte, statt ihn zu sehen. Jemanden zu betrügen war anstrengend und befrachtete jedes Wort mit Doppeldeutigkeiten. Selbst wenn sie miteinander schliefen, verbrachte er den Rest der Nacht damit, alles zu analysieren, was Eva gesagt oder getan hatte; er beobachtete sie, als könnte sie ihm entgleiten, und wog jedes seiner Worte ab, um das gemeinsam errichtete Kartenhaus nicht zum Einsturz zu bringen. Jetzt war es natürlich doch eingestürzt.
    Das Komische war, dass Arkadi die beiden wieder zusammengeführt hatte, indem er Eva nach Moskau geholt hatte. An einem Herbsttag war er mit ihr um den Patriarchenteich spaziert und hatte nicht verstanden, warum sie so sehr erschrak, als Isakow ihren Namen rief.
    »Lass uns weitergehen«, hatte Eva gesagt.
    »Wenn es ein Freund ist, kann ich warten«, hatte er geantwortet.
    »Noch nicht«, flüsterte Eva jetzt ins Telefon und ließ Arkadi nicht aus den Augen. »Das werde ich, das werde ich, ich versprech’s dir … Ich dich auch.« Sie legte auf.
    Fehlte nur noch ein Kuss, dachte Arkadi.
    Es war kein Zufall, dass Isakow angerufen hatte, als er damit rechnen konnte, dass Arkadi zu Hause war. Isakow wollte es ihm unter die Nase reiben.
    Das Telefon klingelte wieder und ließ Arkadi zusammenschrecken. Er merkte, dass sein Atem schneller ging. Eva wich zurück.
    »Ich weiß, dass Sie da sind, Renko. Schalten Sie Ihren Fernseher ein. Gratuliere, Sie sind in den Nachrichten«, sagte Surin und legte auf.
    Arkadi schaltete das Gerät ein. Es gab nur sechs Kanäle. Auf dem ersten legte der Präsident einen Kranz nieder; sein Blick ging in die eine Richtung, sein Mund war in die andere verzogen. Fußball. Patriotische Spielfilme. Tschetschenische Gräueltaten. Und schließlich Staatsanwalt Leonid Surin selber, an einer verschneiten

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