Stalins Geist
mit den Zähnen wie eine übertourige Maschine und schlang die Arme um den Körper, als trüge er eine Zwangsjacke.
»Such das Messer«, befahl Arkadi dem Jungen mit der Taschenlampe.
» Welches Messer?«
Arkadi stand auf und nahm ihm die Lampe ab. » Boras Messer.«
»Ich habe keins gesehen«, sagte Platonow.
»Er hatte ein Messer.« Arkadi drehte Bora mit dem Fuß auf den Rücken, nicht mit einem Tritt, aber doch entschlossen. Kein Messer. Arkadi ließ den Lichtstrahl über das Eis, wo Bora eingebrochen war, und am Rand entlang wandern, wo er Bora herausgezogen hatte, und schließlich, wie um die Zeit zurückzudrehen, auch über Boras Fußspuren im Schnee.
»Eine prachtvolle Nacht«, erklärte Platonow. »Eine solche Nacht finden Sie nur in Moskau. So viel Spaß hatte ich schon seit Jahren nicht mehr. Und dass Sie Ihren Wagen hier am Teich geparkt hatten? Brillant! Zwei Züge vorausgedacht! » Er schlug voller Genugtuung auf das Armaturenbrett des Schiguli. Die Straßenlaternen des Boulevard-Rings zogen vorüber. Platonow hatte immer noch nicht gesagt, wohin er wollte.
»Entscheiden Sie sich«, sagte Arkadi. »Meine Füße sind nass und taub.«
»Soll ich fahren?«
»Nein danke.« Er hatte Platonow gehen sehen.
»Wissen Sie, wen ich heute Nacht gesehen habe? Ihren Vater, den General. Ich habe ihn in Ihnen gesehen. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Obwohl es mir leid tut, dass Sie diesen Hooligan haben gehen lassen.«
»Sie haben sein Messer nicht gesehen.«
»Der Junge mit der Taschenlampe auch nicht. Ihr Wort muss mir genügen.«
»Das meine ich ja. Sie könnten nur bezeugen, dass Bora durch das Eis gebrochen ist.«
»Aber Sie haben ihm eine Lektion erteilt. Er wird noch zwei Tage steif gefroren sein.«
»Der kommt wieder.«
»Dann werden Sie ihn erledigen, da bin ich ganz zuversichtlich. Schade wegen des Messers. Glauben Sie, es wird im Teich auftauchen? »
»Morgen oder nächste Woche.«
»Vielleicht, wenn das Eis schmilzt. Können Sie einen Mann einsperren, bis das Eis schmilzt? Gefällt mir, wie das klingt.«
»Das glaube ich.«
»Wissen Sie«, sagte Platonow, »ich habe Ihren Vater während des Krieges an der Kalinin-Front kennengelernt.«
»Haben Sie mit ihm Schach gespielt?«
Platonow lächelte. »Tatsächlich habe ich Simultanpartien gespielt, um die Truppe zu unterhalten, und da hat er sich an ein Brett gesetzt. Er war sehr jung für einen General und so sehr mit Schlamm beschmiert, dass ich sein Rangabzeichen nicht sehen konnte. Es war außergewöhnlich. Die meisten Amateure stolpern über ihre Springer. Ihr Vater besaß ein instinktives Gespür für das spezielle Chaos, das diese Figur veranstaltet. »
»Wer hat gewonnen?«
»Na ja, ich habe gewonnen. Der springende Punkt ist, er war ein ernst zu nehmender Spieler.«
»Ich glaube nicht, dass mein Vater je an der Kalinin-Front war.«
»Da habe ich ihn gesehen. Er wurde betrogen.«
»Um was?«
»Sie wissen, um was.«
Der Schnee erstickte den üblichen Vierundzwanzig-StundenLärm der Baukolonnen überall in der Stadt. Die Fahrt entlang der weiß verhüllten Bäume am Boulevardring war wie eine Reise durch eine andere Zeit in eine gemütlichere Stadt.
»Es gab Grausamkeiten auf bei den Seiten«, fuhr Platonow fort. »Die Hauptsache ist, dass Ihr Vater ein erfolgreicher Kommandeur war. Besonders zu Anfang des Krieges, als alles verloren schien, war er übermenschlich. Wenn jemand einen Feldmarschallsstab verdient hatte, dann er. Meiner Meinung nach wurde er von Heuchlern verleumdet.«
»Wer versucht eigentlich, Sie umzubringen?« Arkadi wollte das Thema wechseln. Und angeblich hatte er es schließlich herauszufinden.
»Neue Russen, Mafia, Reaktionäre im Kreml. Vor allem Immobilienunternehmer. »
»Also halb Moskau. Haben Sie Drohanrufe bekommen, beunruhigende Briefe, Steine durch die Fensterscheibe?«
»Das habe ich Ihnen doch schon erzählt.«
»Frischen Sie mein Gedächtnis auf.«
»Sie drohen mir am Telefon, ich lege auf. Sie schicken einen Brief mit vergifteter Tinte, ich werfe ihn weg. Steine sind noch nicht geflogen.«
»Den nächsten Brief öffnen Sie nicht. Fassen Sie ihn nur an den Ecken an, und rufen Sie mich an. Können Sie mir Namen nennen?«
»Noch nicht, aber Sie brauchen nur herauszufinden, wer ein Interesse daran hat, den Schachclub zu schließen. Wahrscheinlich wollen sie ein Wellnesscenter daraus machen - oder Schlimmeres. Was wir brauchen, sind die Namen der Unternehmer. Nicht die öffentlichen
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