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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Nachdenken.«
    »Über die Sterblichkeit?«
    »Ich denke darüber nach, ob ich nicht einen Blumenladen aufmachen soll. Tote oder Sterbende gibt es immer. Sie brauchen Blumen.« Viktor schob den Sportler, den grünen Mann und den Biker zurück in ihre Fächer und zog eine schwarz verkohlte Leiche heraus, die zusammengekrümmt war wie ein Fötus. Schob sie zurück und zog eine alte Frau auf einem Bett aus grauen Haaren heraus. Schob sie wieder hinein und zog einen männlichen Sandsack heraus, übersät von Schnittwunden und Prellungen. Schob ihn zurück und zog einen Selbstmörder mit lang gestrecktem Hals heraus. Schob ihn zurück und wich vor dem Verwesungsgestank in der nächsten Reihe zurück. »Wie dem auch sei, mir kam der Gedanke, dass wir die Sache vielleicht falsch anpacken. Unser Problem ist nicht unbedingt die Tätowierung - wir können jederzeit einen Künstler auftreiben, der sie kopieren kann -, sondern die Haut. » Viktor zog einen Leichnam mit mürrischem Gesicht und einer tiefen Wunde im Nacken heraus. Kusnezow.
    Arkadi sah auf die Uhr: Vier Uhr früh. Er fror und war durchnässt, und ihm war ein bisschen schwindlig. Vielleicht träumte er das alles. In der Wohnung des Toten war ihm nicht aufgefallen, dass Kusnezows rechtes Knie aussah, als wäre es zerschmettert und schlecht wiederhergestellt worden.
    »Was sagst du da?«
    »Ich sage, wir müssen proaktiv an die Sache herangehen.«
    »Du meinst, du willst die Haut von einer dieser Leichen nehmen?«
    »Ich hab mit einem Tätowierer gesprochen. Er sagt, alles, was er braucht, ist die Leinwand, sozusagen. Er rät uns nur, die Haut hydriert zu halten.«
    »Nass?«
    »Feucht.«
    »Das würdest du tun?«
    War es möglich, negative Stunden zu erleben?, fragte Arkadi sich. Zusätzliche Zeit, die auf der Uhr gar nicht vorkam? Denn das Häuten von Leichen gehörte nicht in die normalen vierundzwanzig Stunden. Bevor Viktor antworten konnte, sagte er: »Was wissen wir über Sojas Geschäft? War der Mann nicht ihr Partner? Sollten wir darüber nicht ein bisschen mehr in Erfahrung bringen, bevor wir uns an den armen Seelen im Leichenschauhaus vergreifen? Autopsien sind schon genug. Ist dir klar, wie sich das vor Gericht anhören würde?«
    »Haut ist Haut.«
    »Wessen Haut?« Marat Urman erschien im dunklen Korridor. Aus einer Silhouette wurde handfeste Realität. Er trug seine rote Lederjacke wie eine Rüstung, aber er war liebenswürdig und bereit, sich an der Unterhaltung zu beteiligen, sobald er wusste, worum es ging. »Von wessen Haut reden wir?«
    »Von Haut ganz allgemein«, sagte Arkadi. »Es ist immer ratsam, sie zu behalten.«
    »Gute Idee. Der Leiter des Leichenschauhauses hat es nicht gern, wenn Polizisten sich am Beweismaterial zu schaffen machen, ob tot oder lebendig.« Urman blieb an dem offenen Schubfach stehen und warf einen Blick hinein. »Ach, das ist ja unser Freund Kusnezow. Er hat sein Küchenbeil nicht mehr, aber ich erkenne ihn wieder.« Er blickte auf und sah Arkadi an. »Wieso interessierst du dich so sehr für diesen Fall? Seine Frau hat versucht, ihm den Kopf abzuhacken. Wir haben ihr Geständnis und die Waffe, die sie benutzt hat. Wir haben ordentlich ermittelt, und du versuchst uns an den Karren zu fahren.«
    »Ich versuche gar nichts«, sagte Arkadi.
    »Warum ist dann das Schubfach offen? Warum bist du mitten in der Nacht hier und siehst dir den Toten an? Besteht da vielleicht die Möglichkeit, dass du versuchst, Inspektor Isakow reinzulegen? Das sieht - wie soll ich sagen - nach einer persönlichen Sache aus. Es geht um Doktor Kaska, richtig?«
    »Wir haben alle Leichen untersucht.«
    »Auf Kopfläuse? Schlimmer noch, als eine Frau zu verlieren, ist es, wenn man herausfindet, wie wenig man über sie weiß.«
    »Ich kenne Eva.«
    »Nein, du kennst sie nicht, weil du Tschetschenien nicht kennst. Wir drei haben Sachen gesehen, die du dir nicht vorstellen kannst. Es ist ganz natürlich, dass Eva und Nikolai sich zueinander hingezogen fühlen. Das ist nur menschlich. Du solltest dich zurückziehen und den beiden Gelegenheit geben, damit klarzukommen. Hör auf herumzuschleichen. Wenn sie sich für dich entscheidet, soll es so sein. Benimm dich zivilisiert. Ich bin sicher, du wirst sie wiedersehen.« Urman ließ
    ein Lächeln aufkommen. » Tatsächlich kann ich sie in diesem Augenblick vor mir sehen. Isakow fickt sie und fickt sie, und sie sagt: >Oh, Nikolai, du bist ja so viel größer und besser als diese Niete Renko.<«
    »Soll ich ihn

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