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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Clown, was weiß ich noch alles -, aber dann kamen politische Berater aus Amerika wie ich an Bord, organisierten einen Wahlkampf im amerikanischen Stil, und Jelzin gewann mit sechsunddreißig Prozent gegenüber vierunddreißig für die Kommunisten. Die Zustimmung für Nikolai Isakow liegt mindestens so hoch. Er wird mächtig einschlagen.«
    »Tun Sie das für jeden? Egal, auf welcher Seite?«
    »Ja.«
    »Sie sind ein Söldner.«
    »Ein Profi. Die Hauptsache ist, und das möchte ich betonen:
    Was ich mache, ist völlig legal.«
    »Wie läuft denn der Wahlkampf für Isakow?«
    Wiley machte eine kurze Pause. »Besser als erwartet.«
    »Meine Fragen sind Ihnen hoffentlich nicht unangenehm.«
    »Nein, wir haben sie erwartet. Um ehrlich zu sein, Arkadi:
    Wir haben Sie erwartet.«
    »Mich?«
    »Sehen Sie, bei jedem Kandidaten füllen wir eine Art Fragebogen aus. Plus- und Minuspunkte. Hauptsächlich die Minuspunkte, denn wir müssen jede potenzielle Angriffsrichtung der Opposition vorhersehen können: Drogen, Fälle von Körperverletzung, Korruption, sexuelle Orientierung. Wir müssen unseren Klienten sozusagen nackt sehen, denn man kann nie wissen, wann Privatsachen an die Öffentlichkeit dringen. Bis jetzt sieht es so aus, als hätten wir nur einen Grund zur Sorge, nämlich Sie.«
    »Ich?«
    Pacheco hatte seinen Stuhl zur Seite gedreht, damit er die Harfenistin beobachten konnte. »Ist sie nicht ein Engel? Das goldene Haar, die weiße Haut, die Haltung. Sie braucht nur noch ein Paar Flügel. Stellt euch vor, wie das für sie sein muss:
    Morgens um fünf Uhr aufstehen, sich anziehen und mit der U-Bahn von Gott weiß wo hierherzukommen, um ihre wunderschöne Musik an ein Publikum zu verschwenden, das mit dem Gesicht in der Müslischale hängt.«
    Wiley rückte ein Stück näher an Arkadi heran. » Ihre Frau ist mit Isakow durchgebrannt. Werden Sie deswegen Stunk machen?«
    »Sie ist nicht meine Frau.«
    Wileys Miene hellte sich auf. »Oh, dann habe ich das missverstanden. Das ist eine große Erleichterung.«
    Der Brandy kam, und Arkadi trank das Glas mit einem einzigen, gierigen Schluck halb aus.
    »Sehen Sie, Sie wollten doch einen«, stellte Pacheco fest. » Was war der Trick?«, fragte Arkadi.
    »Wie bitte?«
    »Wie haben Sie die Leute dazu gebracht, Stalin zu sehen?
    Was war der Trick?«
    Wiley lächelte. » Ganz einfach. Schaffen Sie die richtigen Bedingungen, und die Leute machen den Rest selber.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Die Menschen schaffen sich ihre eigene Realität. Wenn vier Leute Stalin sehen und Sie nicht - wer sind Sie, Arkadi, dass Sie der Mehrheitsmeinung widersprechen?«
    »Ich war da.«
    »Aber die anderen auch. Millionen frommer Pilger glauben an Erscheinungen der Jungfrau Maria«, sagte Pacheco. »Stalin war nicht die Jungfrau Maria.«
    »Das ist egal«, sagte Wiley. »Wenn vier von fünf Leuten erklären, sie haben Stalin in der Metro gesehen, dann war Stalin ebenso da wie Sie. Nach allem, was ich höre, hat Ihr Vater sich mit dem alten Schlächter ziemlich gut verstanden. Vielleicht hätten Sie ihn an die Brust drücken sollen, statt die Party zu sprengen. »
     
    Sobald Arkadi das Metropol verlassen hatte, zog er sein Handy heraus, um Eva anzurufen. Sie meldete sich nicht. Er rief in seiner Wohnung an. Auch dort nahm niemand ab. Er rief die Nummer der Zentrale in der Klinik an, und die Telefonistin sagte, Eva sei nicht da.
    »Wissen Sie, wann sie heute Morgen gegangen ist?«
    »Dr. Kaska hatte heute Morgen keinen Dienst.«
    »Dann gestern Abend.«
    »Auch nicht gestern Abend. Wer spricht denn da?« Arkadi trennte die Verbindung.
    Die Sonne stand am Himmel und überstrahlte den Schnee.
    Vom Parkplatz des Metropol aus blickte er direkt auf den Theaterplatz. Das Bolschoi wurde renoviert, und der von vier Pferden gezogene Wagen war hoch oben im Gerüst gefangen. Ein Mann und eine Frau gingen Arm in Arm an der Eingangstreppe vorbei. Sie hatten etwas Melancholisches an sich - das klassische Bild eines Liebespaars, das sich vor einem eifersüchtigen Partner verbarg.
    »Wie würden Sie sich selbst beschreiben? Als sonniges Gemüt? Oder sind Sie eher ernst, vielleicht melancholisch?«
    »Fröhlich. Eindeutig sonnig«, sagte Arkadi.
    »Sind Sie gern draußen an der frischen Luft? Treiben Sie Sport? Oder sind Ihnen intellektuelle Beschäftigungen im Haus lieber?«
    »Ich bin ein Frischluftfan. Ski fahren, Fußball spielen, lange
    Spaziergänge durch den Schlamm.«
    »Haben Sie Bücher?«
    »Einen

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