Stalins Geist
Fernseher.«
»Was wäre Ihnen lieber, ein Konzert mit Beethoven-Musik
oder ein Abend im Spielcasino?«
»Ein Konzert mit was?«
»Rauchen Sie?«
»Nicht mehr so viel.«
»Alkohol?«
»Vielleicht ein Glas Wein zum Essen.«
Arkadi hatte Tatjana erzählt, er sei ein russischstämmiger Amerikaner und suche eine russische Braut. Die Partnervermittlerin beäugte misstrauisch seine dünnen russischen Schuhe und seine winterliche Blässe, aber ihr Verkäuferherz reagierte auf die Herausforderung.
»Unsere Frauen möchten amerikanische Amerikaner kennenlernen, keine russisch stämmigen Amerikaner. Außerdem habe ich so ein Gefühl, dass Sie ein bisschen gefühlsbetonter sind, als Ihnen vielleicht bewusst ist. Wir versuchen, Männer und Frauen zusammenzubringen, deren Interessen und Persönlichkeiten einander ähnlich sind. Gegensätze ziehen sich an - und dann lassen sie sich scheiden. Tee?«
Tatjana hatte leuchtend hennarotes Haar und ein optimistisches Lächeln, und sie duftete nach Shampoo. Sie goss das Teewasser aus einem Elektrokocher in zwei Tassen und fragte sich laut, wie Arkadi das Souterrain-Büro der Firma Cupido gefunden hatte, obwohl auf dem Arbat so viel Schnee lag. Der Arbat war eine Fußgängerzone, dazu gedacht, spazieren gehende Touristen in die Läden zu schleusen, in denen Bernstein, Wodka, Matrjoschkas, zaristischer Firlefanz und T-Shirts mit
Lenin-Porträt verkauft wurden. Oder, im Falle von Cupido, die Bekanntschaft mit Russinnen. Heute hatte der Schnee die Pflastermaler, Jongleure, Zigeuner und alle Touristen bis auf die zähesten vertrieben. Arkadi hatte Soja in einem eleganten langen Pelzmantel mit dazu passender Mütze gehen sehen, aber das Licht im Büro hatte noch gebrannt, und bevor Viktor noch einmal ins Leichenschauhaus einfiel, wäre es vielleicht ratsam, sich das Geschäft anzusehen, das Soja mit dem Mann zusammen führte, den sie umbringen lassen wollte. Viktor war vorbeigekommen und hatte sich auf Petrows Minikassetten gestürzt, um sie zu kopieren. Pornografie war an Arkadi verschwendet; er hatte sich das alles im Schnelldurchlauf angesehen, aber jegliches Beweismaterial erfordere sorgsames Studium, behauptete Viktor. Alles andere sei unprofessionell.
Cupido hatte einen Wartebereich, einen Besprechungsraum, in dem die Partnervermittlerin und Arkadi jetzt saßen, zwei durch Milchglasscheiben voneinander getrennte kleine Abteile und ein geschlossenes Zimmer, das vermutlich Soja gehörte. Gerahmte Fotos von glücklichen Paaren bedeckten die Wände. Die Frauen waren junge Russinnen, die Männer Amerikaner, Australier und Kanadier mittleren Alters.
»Das Wichtigste ist, dass Sie und Ihre Partnerin einander ähnlich sind. Möchten Sie keine gebildete, kultivierte, tiefgründige Frau?«
»Das klingt anstrengend. Haben Sie ein paar von denen miteinander bekannt gemacht?« Er deutete auf ein Foto: Ein Mann mit Cowboyhut legte seinen fleischigen Arm um eine Frau, geliefert aus … Moskau? Murmansk? Smolensk?«
»Ich arbeite hier nur in Teilzeit, aber ich habe einige sehr nette Paare zusammengebracht. Das Problem ist, normalerweise vermitteln wir keine russisch-russischen Partnerschaften.«
»Hab ich schon bemerkt.« Sein Blick ging zu einem Stapel amerikanischer Visaanträge.
» Tja, was kann ich über russisch-amerikanische Verbindungen sagen? Sie haben nichts miteinander gemeinsam, das stimmt. Aber russische Frauen wollen keinen russischen Mann, der auf dem Sofa liegt und immer nur trinkt und sich über das Leben beklagt. Und Amerikaner wollen keine Amerikanerin, die entweder verwöhnt oder aggressiv ist. Wir arbeiten für reife, traditionelle Männer, die mit einer Frau zusammen sein wollen, deren Intelligenz und Bildung ihrer Weiblichkeit nicht im Weg ist.«
Das Handy in Arkadis Jackentasche vibrierte. Er warf einen Blick auf das Display: Surin. Arkadi schaltete das Telefon aus. »Entschuldigen Sie.«
»Wir sind mehr als nur eine Website und ein Telefon. Wir sind kein Club und kein Escort Service. Wir kassieren nicht einfach fünfzig Dollar und schicken Ihnen eine Liste mit E-Mail-Adressen von Gott weiß was für Frauen - oder von Frauen, die längst umgezogen, verheiratet oder verstorben sind. Bei Cupido nehmen wir Sie bei der Hand und führen Sie zu Ihrer Seelengefährtin. Gestatten Sie?« Sie klappte ein Buch auf, das aussah wie ein Hochzeitsalbum, und blätterte die Seiten für ihn um. Auf jedem Blatt war das professionelle Foto einer attraktiven Frau im Abendkleid
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