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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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nicht bemerkt, dass Sie sinnlos betrunken waren.«
    »Stinkbesoffen. Dann hat Renko die Krise überstanden? Es ist alles in Ordnung?«
    »Er lebt. Als was, weiß niemand.«
     
    Arkadi lag auf einer Station mit acht Betten, die durch Vornhänge voneinander getrennt waren. Auf dem Nachttisch stand keine Lampe, und die Klingel war nicht angeschlossen. Andererseits kam jeden Morgen Elena Iljitschnina, um nach den Inzisionen zu sehen. Sie war eine große Frau mit schönen Augen, und in ihrem Kittel und mit der hohen weißen Haube sah sie aus wie eine Bäckermeisterin.
    »Sprechen Sie nicht. Ihre Atemwege sind noch wund. Nicken Sie, schütteln Sie den Kopf, oder schreiben Sie auf den Block. Gibt man Ihnen genug Wasser? Hühnerbrühe? Gut.« Sie lächelte freundlich, aber Arkadi hatte gesehen, wie sie das Pflegepersonal terrorisiert und angedroht hatte, was sie tun würde, wenn einer ihrer Patienten nicht gut versorgt werden sollte. »Es verheilt gut.«
    Er deutete auf seine Stirn.
    »Na schön, Sie haben ein kleines Loch im Kopf. Seien Sie kein Baby. In drei Monaten sieht das niemand mehr. Sie haben sehr viel größere Löcher im Hinterkopf, glauben Sie mir. Und ein bisschen Titan. Wenn Ihre Haare nachgewachsen sind, sieht man nichts mehr. Betrachten Sie es von der positiven Seite. Praktisch kein abgestorbenes Hirngewebe, und weil das Trauma durch eine Kugel verursacht wurde und nicht durch einen Tumor, dürften Sie sich ohne Komplikationen erholen.«
    »Kopfschmerzen«, schrieb Arkadi.
    »Zwei Tage nach einer Gehirn-OP - was für eine Überraschung. Das wird vergehen. Einstweilen sollten Sie sich nicht zu schnell aufrichten. Es besteht das Risiko eines Schlaganfalls, auch wenn es in Ihrem Fall sehr gering ist. Gegen die Schmerzen geben wir Ihnen etwas. Die Hauptsache ist, dass Sie jetzt nicht niesen. Sonst werden Sie erfahren, was Kopfschmerzen sind.«
    Arkadi schrieb: »Spiegel.«
    »Nein. Keine gute Idee.« Er unterstrich Spiegel.
    »Sie sind keine Märchenprinzessin. Wie soll ich es freundlich ausdrücken? Sie sind ein Mann mit einem Loch im Kopf, einem schwarzen Bluterguss am Hals und ohne Haare. Was Sie sehen, wird Ihnen nicht gefallen. Ich kenne Ihren Typ. Sie sind der engagierte Polizist, der sofort wieder an die Arbeit geht. Kugeln prallen von Ihnen ab.« Sie hielt eine Schachtel Papiertaschentücher hoch. »Was für eine Form ist das? Schreiben Sie es auf.«
    Arkadi sah sie ausdruckslos an. » Viereckig«, sagte sie.
    Sie stellte die Schachtel hin und holte eine Apfelsine aus der
    Kitteltasche. »Welche Form?«
    Er wusste es, aber er konnte es nicht benennen. »Welche Farbe?«, fragte sie.
    Das Wort lag ihm auf der Zunge.
    »Der Bereich des Gehirns, der durch die Kugel gequetscht wurde, ist zuständig für die Verarbeitung visueller Informationen, das heißt für Farben und Formen. Wenn Ihre Hirnzellen nur beschädigt sind, können sie sich nach und nach wiederherstellen. »
    Arkadi schaute zu dem Patienten im Nachbarbett hinüber, einem Unfallopfer mit einem Streckverband am Bein. Er hatte einen irgendwie geformten Gips und trank einen Saft von irgendeiner Farbe durch ein Etwas. Die Wörter waren da, aber hinter einer Glasscheibe.
    »Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern?«
    »Zum Kasino gefahren«, schrieb er.
    »Sie haben keine Erinnerung an den Mann, der auf Sie geschossen hat?«
    Er schüttelte den Kopf. Er wusste noch, dass er zum Casino gefahren und in den Übertragungswagen gestiegen war, und zwar mit … Mit wem? Er wollte aufstehen, aber Übelkeit und Schwindel überwältigten ihn. Elena Iljitschnina fing ihn auf und half ihm, sich auf das Kissen zurücksinken zu lassen.
    »Das war ehrgeizig. Aber es gibt ein Problem. Die Kugel hat auch das Kleinhirn getroffen, und das steuert das Gleichgewicht. Ich habe nicht geahnt, dass Sie ein so schwieriger Patient sein würden. Sie überleben einen Kopfschuss und glauben, Sie wären noch derselbe wie vorher.« Sie hielt die Apfelsine hoch. »Welche Form?«
    Es fiel ihm nicht ein. »Welche Farbe?«
    Die Antwort lag im Nebel.
    »Übrigens, als ich bei Ihnen und Ihrem Freund Viktor auf der Intensivstation saß, ging der Fahrstuhl auf, und ich hatte den deutlichen Eindruck, dass jemand auf die Station kam. Ich habe keine Schritte gehört; ich hatte nur das Gefühl, dass jemand vor der Tür stand und dann wieder verschwand. Er muss Viktor gesehen haben. Viktor war sinnlos betrunken, aber vermutlich war das nicht zu erkennen.«
    Das ist bei Viktor oft so, dachte

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