Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
überhaupt keine Überraschung. Ich werde dich jetzt zum Steg zurückrudern. Wenn du zum Haus kommst, störe deinen Vater nicht. Wasch dir allein den Schmutz ab, und zieh dir saubere Sachen an, und dann kannst du zur Party gehen. Kannst du das?«
    Die Ärmel und der Kleidsaum seiner Mutter waren genauso nass wie seine Sachen, aber er sagte nichts. Erst als er auf dem Steg stand und sie zum Floß zurückrudern wollte, fragte er: »Wie geht es dir?«
    »Mir geht es wunderbar«, sagte sie.
     
    07:50 - ICP: 24 mm Hg, RR: 2101100, PR: 55
    »Inspektor, wachen Sie auf. Inspektor Orlow, wachen Sie auf. Jemand ist … wachen Sie auf. Eben ist das Licht ausgegangen. Sie sind im Krankenhaus. Was für ein unglaublicher Nichtsnutz. Aufwachen!«
     
    Arkadi wusch sich den Schmutz mit einem Waschlappen ab, suchte sich saubere Sachen heraus und ging dann zu den Gästen auf die Veranda, wo die Bowle mit Wodka versetzt und das Zigeunertrio von den jüngeren Offizieren verjagt worden war, um Platz für den Mambo zu machen, eine populäre Neuheit aus Kuba. Arkadi wurde in die Polonaise hineingezogen, die sich durch das Haus und hinausschlängelte. Seine Mutter sah er nicht, aber es war genau die Sorte Veranstaltung, die sie nicht ausstehen konnte.
    Sergeant Below nahm ihn beiseite. »Arkascha, wo ist deine Mutter? Der General sucht sie.«
    »Sie kommt.«
    »Hat sie das gesagt?«
    »Ja.«
    Arkadi kehrte ins Festgetümmel zurück. Jetzt war es Abend geworden, und gleich würde es ein Feuerwerk geben. Er freute sich auf die Feuerräder und Raketen, die ihre Farben in der Nacht versprühen würden.
    Eine halbe Stunde später zog sein Vater ihn aus der Reihe der Tänzer. »Wo ist deine Mutter? Ich habe sie überall gesucht. Ich dachte, du hättest gesagt, sie kommt.«
    »Das hat sie gesagt.«
    »Arkascha, wo hat sie dir das gesagt?«
    »Auf dem Teich.«
    »Zeig mir, wo.«
    Sein Vater holte acht Leute zusammen, Arkadi eingeschlossen. Sie bewegten sich zwischen den Fichten hindurch, und ihre Taschenlampen fegten die Schatten nach links und nach rechts. Halb rechnete Arkadi damit, dass sie hinter einem Baum hervorspringen würde, aber sie erreichten den Bootssteg, ohne sie zu finden.
    Das Ruderboot war draußen am Badefloß angebunden. »Ob sie zurückgeschwommen ist?«, erwog jemand.
    Der General zog die Stiefel aus und stürzte sich ins Wasser.
    Er hielt die Taschenlampe hoch über sich und schwamm mit einer Hand zum Floß. Wassertretend richtete er den Lichtstrahl zwischen die Tonnen unter der Plattform. Dann zog er sich an der Leiter hinauf und rief: »Nicht hier.« Seine Stimme hallte über das Wasser. Er ließ das Licht über den Teich und das Schilfrohr am Rand wandern. »Da auch nicht.«
    »Wo sind die Steine?«, rief Arkadi. »Ich hab ihr geholfen, Steine zu suchen.«
    »Steine wofür?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Sein Vater schaute zum Himmel und leuchtete dann mit der Taschenlampe auf die weiße Boje hinunter. Das Floß wiegte sich, und die Tonnen machten gluckernde Geräusche. Arkadi wünschte plötzlich, er wäre woanders, irgendwo anders. Sein Vater kletterte ins Boot hinunter und ruderte zum Steg.
    »Bloß der Junge.«
    Arkadi setzte sich ins Heck, und sein Vater ruderte. »Nimm die Lampe.«
    Die letzten paar Meter glitten sie nur dahin.
    Seine Mutter schwebte mit dem Kopf nach unten unter der Oberfläche. Ein Arm war mit einem Streifen Baumwollstoff an den Verankerungsblock der Boje gebunden. Das Licht auf ihrem weißen Kleid ließ sie milchig leuchten. Sie war immer noch barfuß. Augen und Mund waren offen, ihr Haar bewegte sich im Wasser, und zwischen den Stäubchen, die um sie herumtrieben, sah sie aus wie ein fliegender Engel. Sie hatte nichts dem Zufall überlassen; sie hatte nicht nur eine Hand an den Ankerblock gebunden, sondern sich auch noch mit einem Schmetterlingsnetz voller Steine beschwert.
    »Sind das die Steine?«
    »Ja.«
    »Du hast sie gesammelt?«
    »Ich hab mitgeholfen.«
    »Und du bist nicht zu mir gekommen und hast es mir gesagt?«
    »Nein.«
    Ohne ein weiteres Wort wendete sein Vater das Boot und ruderte zum Steg, wo seine Stabsoffiziere warteten, ausgezogen bis auf die Unterhosen. Sergeant Below half Arkadi beim Aussteigen.
    Sein Vater sagte: »Schafft ihn hinauf zum Haus, irgendwohin, bevor ich ihn umbringe.«
     
    08:30 - Iep: 17 mm Hg, RR: 120 / 83, PR: 75
    »Die Zahlen sind gut, oder?«
    »Aber nicht dank Ihnen, Inspektor. Jemand war letzte Nacht auf der Intensivstation. Zum Glück hat er anscheinend

Weitere Kostenlose Bücher