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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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dich aus. Sogar an meinen Vater. Er sagte, das Recht wäre auf seiner Seite; ich würde niemals entkommen.«
    »Du hast ihn hier gesehen?«
    »Auf der anderen Straßenseite. Er war mit Straßenbauarbeitern da und hat ein Schlagloch ausgebessert.«
    »Das war nur Pech.«
    »Es hat geschneit. Ich hab ihn nicht gesehen, als ich aus dem Haus kam. Bin geradewegs an ihm vorbeigegangen. Der Wind hat mir die Kapuze vom Kopf geweht, und er hat meinen Namen gerufen. >Spielst du noch Schach?<, hat er gefragt, und dann hat er meine Büchertasche gesehen. >Hast du dein Schachspiel dabei?<, hat er gefragt.«
    »Und - hattest du?«
    Schenja nickte. »Da hat er gesagt, ich soll es ihm geben, und er bewahrt es für mich auf. Wir würden da weitermachen, wo wir aufgehört hätten. >Wir sind wieder Partner<, hat er gesagt. Da bin ich weggerannt. Er hatte Gummistiefel an und ist auf dem Eis ausgerutscht und gefallen. Er hat geschrien: >Ich dreh dir den Hals um wie einem Huhn! Der Richter wird dich mir geben, und dann dreh ich dir den Hals um wie einem Huhn!< Ich hab ihn noch ein paar Straßen weiter gehört.«
    »Wo bist du dann hingegangen?«
    »Wo Eva arbeitet. Sie hat gesagt, ich soll von der Wohnung wegbleiben.«
    »Vernünftig.«
    »Und ich soll dir nichts sagen, weil es sonst ein böses Ende nimmt. Sie kennt Leute, hat sie gesagt, die dafür sorgen können, dass niemandem etwas passiert.«
    »Das ist ein besonderes Talent. An wen hat sie dabei gedacht?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Arkadi ließ ihm die Lüge durchgehen. Schenja hatte schon eine Menge gestanden.
     »Eva hatte recht«, gab Arkadi zu. »Es hat kein gutes Ende genommen. »
    Und es wurde nicht besser. Er konnte sich nicht erinnern, 3331-33 geschrieben zu haben. Vielleicht war es eine Fantasiezahl, und sein Notizbuch war eine Fiktion, fabriziert, um einen Besseren als ihn anzuschwärzen. Er dachte daran, wie weit er gegangen war, wie er die Ermittlungen im Fall Kusnezow in Zweifel gezogen und ohne jeden Beweis versucht hatte, Isakow mit Borodins einsamem Tod im Wald in Verbindung zu bringen.
    Obwohl Viktor betrunken gewesen war, hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Eva hatte ihn verlassen. Wie kam er auf die Idee, sie sei nicht glücklich?
    Der Große Vaterländische Krieg wurde für die Abendnachrichten unterbrochen. Erst nach fünf Minuten begriff Arkadi, dass über eine Kundgebung der Russischen Patrioten in Twer berichtet wurde. In der ersten Reihe stand Nikolai Isakow und half, ein Transparent mit der Aufschrift »Bringt den russischen Stolz zurück!« zu tragen. Marat Urman an seiner Seite ließ den Blick beständig über die Menge wandern, und in der zweiten Reihe war Eva, scharf geschnitten und exotisch unter all den runden Gesichtern.
    Durch ein Megafon verkündete Isakow: »Ich war als Junge in Twer, ich war in Twer bei der OMON, und ich werde Twer auch auf höchster Regierungsebene treu vertreten.«
    Es war so warm, dass viele ihre Patrioten- T-Shirts trugen, sodass die bei den Amerikaner Wiley und Pacheco in ihren Parkas umso mehr auffielen. Als Arkadi zwei neue Seiten für die beiden Politikberater anlegte, erinnerte er sich an das Frühstück im Hotel Metropol, an die geschlossenen Augen der Harfenistin und die Telefonnummer des Hotels, die mit Kugelschreiber in ein Streichholzheftehen gekritzelt gewesen war.
    Arkadi ging zum Wandschrank und wühlte in dem Pappkarton, den er aus dem Büro mitgebracht hatte, bis er das Streichholzheft fand, das er Selenskis Allzweck-Kameramann Petja abgenommen hatte. »Tahiti - ein Club für Gentlemen« stand in roten Lettern auf einem rosa Plastikfeld. Die Nummer des Metropol war mit der Hand auf die Innenseite der Klappe geschrieben. Für den Club selbst war zunächst keine Telefonnummer zu sehen, aber als das Streichholzheft sich zwischen Arkadis Fingern erwärmte, erschien der Abdruck einer offenen Hand auf der Vorderseite, und die Rückseite offenbarte die Telefonnummer 33-31-33. Wie ein Stimmungsring. Eine Ziffer weniger als Moskauer Telefonnummern. Er konnte sich nicht daran erinnern, die Nummer bewusst schon einmal gesehen zu haben; sein Geist hatte sie gewohnheitsmäßig registriert. Die Vorwahl für Twer war 822.
    Er rief von seinem Handy an. Beim zehnten Klingeln sagte eine tiefe Stimme: »Tahiti.« Im Hintergrund hörte Arkadi Heavy-Metal-Musik, Lachen, Streitereien, geselliges Gläserklingen.
    »In Twer?«
    »Soll das ein Witz sein?«
    Aufs Geratewohl fragte Arkadi: »Ist Tanja da?«
    »Welche

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