Star Trek - VOY - 014 - Das schwarze Ufer.rtf
wußte, daß der Doktor seine physischen Beschränkungen – er konnte nur in einer
besonders ausgestatteten holographischen Umgebung
existieren – als erhebliche Belastung empfand. Eine
seiner größten Befürchtungen bestand darin, daß die
Crew eines Tages gezwungen sein mochte, die Voyager aufzugeben und ihn allein zurückzulassen.
»Was ist mit Ihnen?« wandte sich der Holo-Arzt an die Ocampa. »Sind Sie ebenfalls von dem planetaren
Paradies begeistert?«
Der Doktor schien ihre vagen Ängste in Hinsicht auf
Ryolanow vorübergehend vergessen zu haben. »Ich
weiß nicht«, antwortete Kes. »Die Welt scheint wirklich wundervoll zu sein.« Sie musterte Kim aufmerksamer.
Er wirkte tatsächlich ziemlich erschöpft – das
hohlwangige Gesicht brachte eine seltsame Art von
Müdigkeit zum Ausdruck, die jedoch nicht mit geistiger Apathie einherging. Sie erinnerte sich an die Worte des Doktors. Hatte sich Kim während des Landurlaubs
tatsächlich überanstrengt – oder geschah etwas
Schreckliches auf Ryolanow, etwas, das sie alle betraf?
Nein , dachte sie, das ist doch lächerlich. Kim hatte sich einfach zu sehr vergnügt, wie auch die anderen
Besatzungsmitglieder der Voyager . Kes schüttelte den Kopf und versuchte, die Besorgnis aus sich zu
verbannen. Es lag an den Stimmen. Die mentalen
Schreie veranlaßten sie, überall nach Entsetzlichem
Ausschau zu halten und ihren Instinkt in Frage zu
stellen. Inzwischen wußte sie gar nicht mehr, was sie eigentlich empfand.
Alle anderen freuen sich , überlegte sie. Warum muß ich dauernd zweifeln?
»Schon wieder ein Problem mit der Moral?« fragte
Janeway. Der Erste Offizier befand sich im
Bereitschaftsraum, um ein persönliches Gespräch mit
ihr zu führen. Er stand am Schreibtisch, während
Janeway die Zierpflanzen an der Tür begoß.
Glücklicherweise war es bisher nicht notwendig
gewesen, das Wasser an Bord der Voyager zu
rationieren – andernfalls wären die Pflanzen wohl kaum so grün gewesen.
»Ich verstehe das nicht«, fügte die Kommandantin
hinzu. »Ich dachte, Ryolanow sei die Lösung für unsere Probleme mit der Moral.«
»Das habe ich ebenfalls angenommen«, sagte
Chakotay. »Nun, die Stimmung bei der Crew hat sich
zweifellos verändert, aber vielleicht ergeben sich
dadurch auch Nachteile.«
»Wie meinen Sie das?« erkundigte sich Janeway. Sie
nahm am Schreibtisch Platz, und es fühlte sich gut an, die Beine zu entlasten. Den größten Teil der letzten Tage hatte sie damit verbracht, Varathael bei
irgendwelchen diplomatischen Anlässen Gesellschaft zu leisten. Manchmal gewann sie den Eindruck, alle Ryol auf dem Kontinent kennengelernt zu haben, doch immer wieder gab es neue Empfänge und
Begrüßungszeremonien. Aber wenn die Beziehungen
zwischen der Voyager und den Ryol verbessert werden konnten, und wenn sie damit den dringend benötigten
Landurlaub für die Crew gewährleistete… Unter solchen Umständen war Janeway bereit, auch weiterhin Hände
zu schütteln und Banketts zu besuchen. Allerdings:
Chakotays Ausführungen deuteten darauf hin, daß ihre Bemühungen umsonst waren, vielleicht sogar das
Gegenteil von dem bewirkten, was sie sich erhoffte.
Wirklich schade, daß Chakotay meistens weiß, wovon er redet.
Er erzählte ihr von seiner Konfrontation mit Susan
Tukwila auf der Brücke. »Unglücklicherweise ist das
kein Einzelfall«, fuhr er fort. »Es handelt sich nur um das extreme Beispiel für ein Syndrom, das sich offenbar bei vielen Besatzungsmitgliedern auswirkt. Ich habe mit
Tuvok gesprochen, bevor ich zu Ihnen gekommen bin,
und er wies auf folgendes hin: Die von verschiedenen Einsatzgruppen auf dem Planeten gesammelten
wissenschaftlichen Daten lassen es an Genauigkeit
mangeln. B’Elanna berichtet mehr Verstöße als sonst
gegen die Sicherheitsvorschriften im Maschinenraum,
und der Doktor meldet einen drastischen Anstieg von
Unfällen, die auf Achtlosigkeit zurückgehen, sowohl an Bord des Schiffes als auch auf Ryolanow.«
Der Erste Offizier legte eine kurze Pause ein, bevor er zusammenfaßte: »Einzeln betrachtet bedeuten die
Zwischenfälle nicht viel. Wenn man sie jedoch im
Zusammenhang sieht, läuft es auf einen Mangel an
Disziplin hinaus. Außerdem erreichen Müdigkeit und
Erschöpfung bei der Crew allmählich ein gefährliches Niveau.«
Ich selbst bin davon nicht ausgeschlossen , dachte Janeway. Alles in ihr sehnte sich nach einem
Nickerchen. Trotz einer zusätzlichen Tasse Kaffee an
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