Star Wars™ Der Vergessene Stamm der Sith: Storys (German Edition)
Fähigkeiten am meisten brauchte.
Jelph mühte sich, seine Gedanken zu sammeln. Ori. Er musste Ori finden. Ihr Name, ihr Antlitz würden seine Rettungsleine sein. Wegen ihr war er hier – und wegen ihr hatte er alldem nicht längst den Rücken gekehrt.
Er kannte ihre Machtpräsenz sehr gut, auch wenn er nicht darauf hoffte, sie in dem Meer harscher Gefühle zu finden, aus denen Tahv bestand. Er fragte sich, wie es ihr überhaupt gelungen war, hier zu überleben. Ihre dunkle Natur schien ihm nie in derselben Liga zu sein wie die der anderen Sith auf Kesh, ganz gleich, wie sehr sie sich auch in die Brust werfen mochte. Ori war stolz, nicht korrupt, zornig, nicht hasserfüllt. Wäre es anders gewesen, wäre er vor ihrer Berührung zurückgewichen. Was sie betraf, musste er einfach mit seiner Einschätzung richtigliegen.
Aber was, wenn er sich irrte? War sie überhaupt hier? Jelph war drauf und dran, der Verzweiflung zu erliegen, die ihn umgab, als ihm etwas ins Auge fiel, das eine Erinnerung in ihm wachrief. Bei einer ihrer ersten Begegnungen hatte Ori damit geprahlt, dass keiner der anderen Schwerter ihr Wissen über das Aquäduktsystem der Stadt besäße. Das war ihr Patrouillenrevier, zusammen mit ihren Schülern. Jelph schaute auf und machte eins von mehreren hoch aufragenden Steinbauwerken aus, die sich über die Stadt erstreckten, um aus dem Hochland Wasser nach Tahv zu schaffen. Einst von den Keshiri konstruiert, hatten die frühen Sith das System verbessert, indem sie Dutzende von Metern über dem Boden Speicherreservoirs hinzugefügt hatten. Ori hatte recht: Von dort oben konnte man ganz Tahv überblicken. Ohne dass man hoffentlich selbst wahrgenommen wird , dachte er.
Er trat in die Schatten unter einem gewaltigen Aquäduktstützbogen, einer Säule, fast so groß wie ein Häuserblock. Hier ließ sich das Gefühl der Dunklen Seite halbwegs ertragen. Jelph erklomm die Säule, sorgsam darauf bedacht, die ganze Zeit über im Schatten zu bleiben, bis er oben anlangte.
Die zu beiden Seiten mit einem breiten Sims versehene Steinrinne, um das strömende Wasser zu kanalisieren, war so breit wie eine Stadtstraße. Jelph, der bäuchlings auf dem Sims lag, staunte darüber, dass es den Keshiri schon lange vor der Ankunft gelungen war, faktisch einen Fluss mitten in der Luft zu bauen. Was hätten sie wohl vollbringen können, wenn sie unbehelligt geblieben wären? Kopfschüttelnd griff er nach seiner Schultertasche und holte ein Makrofernglas hervor.
Als er das Gelände studierte, fiel ihm ein Bergzug ins Auge, der weit im Westen aufragte und ihn mit einem Gefühl des Schreckens erfüllte. Ihm war zu Ohren gekommen, dass die Sith dort das Wrack ihres Raumschiffs aufbewahrten, in einem Tempel. Würden sie Teile seines Jägers dazu verwenden können, um es zu reparieren? Oder würde ein Sith einfach versuchen, in seinem Jäger von hier zu verschwinden, in der Absicht, später mit Hilfe zurückzukommen, um die anderen zu holen? So oder so war es jetzt am wichtigsten, Ori zu finden. Als er seine Aufmerksamkeit wieder der Stadt unter sich zuwandte, stellte er das Gerät auf Nachtsicht und überprüfte die Straßen, die zum Großen Palast führten. War sie vielleicht dorthin gegangen, selbst in dem Wissen, was Großlady Venn ihrer Familie angetan hatte? Um weiter zu sehen, wagte er es aufzustehen.
»Ori, wo bist du?«
Mit einem Mal stieß ihn eine unsichtbare Hand nach hinten in das dahinsprudelnde Wasser. Das Makrofernglas rutschte ihm aus der Hand, prallte vom Sims ab und zersprang ungesehen auf einem Marmordach weiter unten. Sobald er den Boden des einen Meter tiefen Kanals berührte, stieß Jelph sich mit seinen Arbeitsstiefeln an dem glitschigen Steinboden ab und katapultierte sich in die Höhe … bloß, um – von einem Machtstoß getroffen – erneut nach hinten zu fliegen. Außerstande, sich zu fangen, sauste er die Rinne hinunter.
Die Strömung ebbte ab und spuckte ihn in einem Sammelbecken aus – weiter unten, aber immer noch viele Meter über den nahe gelegenen Dächern. Er watete mühsam zum flachen Ende, löste sein Lichtschwert vom Gürtel und schaltete es ein. Blaues Licht tanzte in der Nacht, als Jelph auf der Suche nach seinem Angreifer durch das hüfthohe Wasser wankte.
»Lügner!«
Der Ruf kam aus einiger Entfernung, weiter die Aquäduktrinne hinauf. Dort konnte Jelph die Silhouette einer Frau ausmachen, die sich – ein karmesinrotes Lichtschwert schwingend – auf ihn stürzte. Seine Waffe mit
Weitere Kostenlose Bücher