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Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)

Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)

Titel: Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Flüchtlinge und Halunken zurück, hier galt kein Gesetz, und kräftige Männer und ihre sehnigen Frauen bauten in karger Erde mühsam das Nötigste zum Leben an, aber es war immerhin ein Flecken Erde, wo man in glücklicher Freiheit von den Vorschriften der Regierung leben konnte. Dieses Hochtal war berühmt für seine Pferdediebe. Die Tiere, die sie im reichen Flachland Virginias stahlen, wurden hier in großen Koppeln gehalten, bis sie zum Wiederverkauf nach Norden und Westen gebracht wurden. An diesem namenlosen Ort sollte Starbuck dem Dämon der Hügel gegenübertreten, dessen Zustimmung dem vornehmen Washington Faulconer so viel bedeutete. Starbuck drehte sich um und betrachtete die Landschaft hinter sich, das grüne Hügelland, das sich bis zum dunstigen Horizont erstreckte. Dann richtete er seinen Blick nach Westen, wo ein paar Rauchfäden Gehöfte unter der dichten grünen Decke des Waldes verrieten.
    Er trieb Pocahontas auf den Pfad zwischen den Bäumen hinunter. Starbuck fragte sich, welche Art Bäume dies wohl sein mochten. Er war ein Stadtkind und konnte keinen Judasbaum von einer Ulme und keine Virginia-Eiche von einem Hartriegel unterscheiden. Er konnte weder ein Schwein schlachten, noch einen Hirsch jagen und nicht einmal eine Kuh melken. In diesem Landstrich voller sachkundiger Menschen fühlte er sich wie ein Narr, ein Mann ohne jegliche Fähigkeit, dafür aber mit zu viel Bildung. Er überlegte, ob eine Kindheit in der Stadt einen Mann für den Krieg unbrauchbar machte und ob die Leute vom Land durch ihre Vertrautheit mit dem Tod und ihre Kenntnis der Landschaft auf ganz natürliche Art zu Soldaten wurden. Dann wechselte Starbucks Stimmung wie so oft unvermittelt von diesen romantischen Vorstellungen zu den Schrecken des bevorstehenden Konflikts. Wie konnte es in diesem großartigen Land nur zu einem Krieg kommen? Dies hier waren die Vereinigten Staaten von Amerika, der Höhepunkt menschlichen Strebens nach einer perfekten Regierung und einer gottesfürchtigen Gesellschaft, und die einzigen Feinde, die es in diesem glücklichen Land je gegeben hatte, waren die Briten und die Indianer gewesen, und beide Gegner waren dank Gottes Beistand und amerikanischer Tapferkeit besiegt worden.
    Nein, dachte er, diese Kriegsdrohungen würden sicher nicht Wirklichkeit werden. Sie waren übertrieben, verbitterte Polemik politischer Gegner, ein Frühlingsfieber, das vom Herbst wieder gekühlt würde. Amerikaner konnten gegen die gottlosen Heiden in der ungezähmten Wildnis kämpfen, und nur zu gern schlachteten sie die Söldner eines verräterischen fremden Königs ab, aber sie würden sich doch bestimmt niemals gegeneinander wenden! Die Vernunft würde siegen, ein Kompromiss würde gefunden. Gott selbst würde seine Hand schützend über sein erwähltes Land und sein braves Volk halten. Aber vielleicht, hoffte Starbuck schuldbewusst, wäre davor Zeit für ein einziges Abenteuer – ein sonnenüberglänzter Angriffssturm mit leuchtenden Flaggen, schimmernden Säbeln, trommelnden Hufen, zerstörten Zügen und brennenden Brücken.
    «Noch einen Schritt, Junge, und ich blase dein verdammtes Hirn ins Jenseits», erklang plötzlich eine Stimme.
    «Oh, gottverdammt!» Starbuck war so überrascht, dass er die blasphemische Verwünschung nicht unterdrücken konnte, doch er hatte immerhin noch Verstand genug, um die Zügel anzuziehen, und die gut geschulte Stute blieb stehen.
    «Oder vielleicht blas ich dir das Gehirn trotzdem raus.» Die Stimme war tief und rau, wie eine Feile, die über rostiges Eisen gezogen wird, und Starbuck vermutete, obwohl er den Sprecher immer noch nicht sah, dass er seinen Mörder gefunden hatte. Er hatte Truslow entdeckt.

Vier
    R everend Elial Starbuck beugte sich in seiner Predigtkanzel vor. Er umklammerte das Pult dabei so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Diejenigen Gemeindemitglieder, die vorne in der Kirche saßen, dachten, das Pult müsse unter seinem Griff zersplittern. Der Reverend hatte die Augen geschlossen und sein langes, schmales weißbärtiges Gesicht leidenschaftlich verzerrt, während er nach genau dem richtigen Wort suchte, das seine Zuhörer mitreißen und die Kirche mit rechtschaffenem Zorn erfüllen würde.
    Es herrschte Stille in dem hohen Gebäude. Jede Bank war gefüllt und jeder Platz auf der Galerie besetzt. Die Kirche war viereckig, schmucklos, schlicht; ebenso einfach und zweckmäßig wie die Heilsbotschaft, die von ihrer weißen Kanzel herab

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