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Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)

Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)

Titel: Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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verkündet wurde. Es gab einen schwarz gewandeten Chor, ein neumodisches Harmonium und hohe Fenster mit Klarglasscheiben. Gaslampen sorgten für Licht, und ein großer schwarzer Kanonenofen verbreitete im Winter etwas Wärme, doch diese kleine Annehmlichkeit würde noch viele Monate lang nicht benötigt werden. Es war heiß in der Kirche. Nicht so heiß wie im Hochsommer, wenn es drückend schwül würde, aber dieser Frühlingssonntag war dennoch so warm, dass sich die Kirchgänger Luft zufächelten. Doch als sich Reverend Elials dramatische Pause immer länger hinzog, erstarrte ein Fächer nach dem anderen, bis man glauben konnte, jeder Mensch in der hohen, kahlen Kirche wäre ein Statue.
    Sie warteten mit angehaltenem Atem. Reverend Elial, weißhaarig, weißbärtig und hager, ließ das Schweigen andauern, während er das Wort in Gedanken auskostete. Er hatte das passende Wort gefunden, beschloss er, ein gutes Wort, das rechte Wort in diesem Moment, ein Wort aus seiner Predigt, und so atmete er tief ein und hob langsam eine Hand, bis man den Eindruck hatte, jedes Herz in dem hohen Gotteshaus hätte seinen Schlag unterbrochen.
    «Gespei!», brüllte Reverend Elial, und ein Kind auf der Galerie schrie auf vor Schreck, als das Wort in der Kirche explodierte. Ein paar Frauen rangen nach Luft.
    Reverend Elial Starbuck schmetterte seine rechte Faust auf das Kanzelgeländer. Der Schlag war so heftig, dass er wie ein Schuss durch die Kirche hallte. Nach einer Predigt waren seine Handkanten oft voller blauer Flecken, und die Gewalt seiner Kanzelreden brach jährlich mindestens einem halben Dutzend Bibeln den Rücken. «Die Sklavenhaltergesellschaft hat ebenso wenig das Recht, sich christlich zu nennen, wie ein Hund sich ein Pferd nennen kann! Oder ein Affe ein Mensch! Oder ein Mensch ein Engel! Sünde und Verdammnis! Sünde und Verdammnis! Die Sklavenhaltergesellschaft ist von Sünde verseucht und der Verdammnis geweiht!»
    Die Predigt war an einem Punkt angekommen, an dem ihre Worte keinen Sinn mehr ergeben mussten, weil die Logik der einführenden Passage nun von einzelnen Schlagwörtern abgelöst werden konnte. Sie mussten nur noch als mahnende Erinnerung an die Botschaft der Predigt wirken, um diese Botschaft tief in die Herzen der Zuhörer hineinzumeißeln, damit diese für eine weitere Woche voll weltlicher Versuchungen gewappnet waren. Reverend Elial predigte nun schon eineinviertel Stunden und würde noch wenigstens eine halbe Stunde weiterpredigen, doch für die nächsten zehn Minuten wollte er die Versammlung zu einem Sturm der Entrüstung aufpeitschen.
    Die Sklavenhaltergesellschaft, erklärte er seiner Gemeinde, sei dazu verdammt, in den tiefsten Feuergruben der Hölle zu schmoren, dazu, in den brennenden Schwefelsee gestoßen zu werden, wo sie bis in alle Ewigkeit unglaubliche Qualen leiden müsse. Reverend Elial Starbuck hatte seine ersten Predigterfahrungen mit Beschreibungen der Hölle gesammelt, und so verbrachte er die nächsten fünf Minuten damit, aus diesem Erfahrungsschatz derart grässliche Schilderungen von den Gräueln der Hölle zu wiederholen, dass seine Gemeinde vor Angst und Abscheu zitterte und ein paar zarter besaitete Gemüter einer Ohnmacht nahe kamen. Auf der Galerie saßen einige freigelassene Sklaven aus den Südstaaten zusammen, die alle auf die eine oder andere Weise von der Kirche unterstützt wurden, und die Freigelassenen nahmen einzelne Worte Elial Starbucks auf und wiederholten sie mit tiefen Stimmen, sodass die Kirche vom Heiligen Geist zu vibrieren schien.
    Und immer weiter heizte Reverend Elial die Gefühle an. Er erzählte seinen Zuhörern, wie der Sklavenhaltergesellschaft vom Norden die Hand der Freundschaft entgegengestreckt worden war, und er streckte seine eigene Hand mit den Blutergüssen aus, um die pure Tugendhaftigkeit dieses Angebots zu unterstreichen. «Es war ein Angebot ohne Bedingungen! Es war ein rechtschaffenes Angebot! Es war ein redliches Angebot! Es war ein brüderliches Angebot!» Seine Hand streckte sich immer weiter der Gemeinde entgegen, als er die Großzügigkeit der Nordstaaten ausführte. «Und wie haben sie auf dieses Angebot reagiert? Was haben sie getan? Was haben sie getan?» Die Wiederholung der Frage kam als spitzer Schrei aus seinem Mund, der die Gemeinde in Erstarrung versetzte. Reverend Elial ließ seinen Blick mit funkelnden Augen durch die Kirche schweifen, von den Bänken der Reichen vorne bis zu den Armeleutebänken hinten, über die

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