Starfire - Rebellion: Starfire1 (German Edition)
Jahre der Selbstdisziplin hinter ihrer heiteren Gelassenheit hatte er bereits erkannt, doch jetzt reichte sein Verstehen, sein Mitgefühl tiefer. Er spürte das Geschenk der Freiheit, das ihre Eltern ihr vor so langer Zeit gemacht hatten, und er wünschte sich, mehr seiner Patienten könnten so sein.
Schließlich bewegte sich ihr Kopf. Der fein gemeißelte Schädel unter dem dünnen, dunklen Flaum, regte sich auf dem Kissen, und sie sprach mit leiser Stimme.
»Ich danke Ihnen, Doktor. Ich wünschte, Sie hätten es mir früher gesagt – aber vielleicht hatten Sie recht. Vielleicht war es gut für mich, ein wenig Zeit zu haben.«
»Nein, ich hatte unrecht«, sagte er bescheiden.
»Mag sein. Jedenfalls weiß ich es jetzt, nicht wahr? Ich muss darüber nachdenken.«
»Ja.« Er stand widerwillig auf, erkannte verblüfft, dass er gern im Bannkreis ihrer Stärke geblieben wäre, riss sich aber zusammen und lächelte schwach. »Soll ich Lieutenant Tinnamou wieder hereinschicken? Ich denke, sie ist ein wenig beunruhigt, Sie könnten vielleicht, äh, Ihre Kräfte überstrapaziert haben.«
»Ist sie das?« In Hans müdem Gesicht waren plötzlich Grübchen zu sehen. »Mir war nicht klar, dass ich so schimpfen kann, aber ich wäre jetzt lieber eine Weile allein, Doktor. Würden Sie ihr bitte ausrichten, dass ich sie um Nachsicht bitte? Ich werde mich später persönlich bei ihr entschuldigen.«
»Wenn Sie möchten«, sagte er, erleichtert, sie endlich lächeln zu sehen, »aber wir freundlichen Heiler wissen, dass kranke Leute nicht immer ihre beste Seite zeigen, Commodore.«
»Bitte sagen Sie Han«, bat sie und tippte mit den skelettartigen Fingern an sein Handgelenk. »Und ich werde mich bei ihr entschuldigen. Aber nicht jetzt gleich.«
»Selbstverständlich. Ich werde es ihr sagen – Han.« In seinen Augen blitzte es traurig, als er an sein Namensschild tippte. »Und ich heiße Daffyd.«
»Danke, Daffyd.« Wieder lächelte sie. Dann schloss sie die Augen, und er ging hinaus.
Es ganz zu akzeptieren nahm Stunden in Anspruch. Die Tatsache selbst war nicht überraschend – zumindest auf intellektueller Ebene. Irgendwie hatte Han immer angenommen, ihr würde das nie passieren. Aber sie hatte auch immer gewusst, dass es das sehr wohl konnte. Es war unfair, aber die Biologie war nun einmal nicht fair.
Sie spürte Tränen auf ihren Wangen. Diesmal schämte sie sich ihrer nicht. Ihr Leben war so geordnet verlaufen! Für sie war es immer wichtig gewesen, in ihrem erwählten Beruf Besonderes zu leisten. Sie hatte gewusst, dass ihr Stolz es erforderte, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Und der Druck, den solch frühe Leistungen auf sie als Frau ausübten, war groß gewesen, denn sie war nicht nur eine Grenzwelterin, sie war eine Hangzhouerin, Kind einer Kultur, die nicht nur in Individuen, sondern auch in Generationen dachte. Und damit war ihr der Weg vorgezeichnet gewesen; sie würde den Rang erreichen, den sie sich als Ziel gesetzt hatte, und sich dann Zeit für die Kinder nehmen, die sie sich wünschte.
Sie drehte den Kopf auf dem Kissen hin und her, gequält von einem Verlust, der umso schmerzlicher war, weil sie das, was sie verloren hatte, nie besessen hatte. Der Schmerz war schrecklich, aber der schlimme Augenblick der Erkenntnis lag hinter ihr. Jetzt blieb ihr nur noch, sich damit auseinanderzusetzen. Sie musste mit dem Unerträglichen fertig werden.
Wäre sie eine Innenwelterin gewesen, dann wäre es anders gewesen, dachte sie bedrückt, denn auf den überfüllten Innenwelten war der Zugang zu lebensverlängernden Behandlungen beschränkt. Doch Han war auf einer Grenzwelt geboren worden, einer Welt mit hoch entwickelter Medizin, einer Welt, auf der die Antigeron-Therapie allgemein verfügbar war. Mit neununddreißig Jahren sah sie aus wie eine Zwanzigjährige, und dem entsprach auch ihr körperlicher Zustand. Und im Laufe der Jahre würde der Unterschied noch größer werden. Sie hatte mit weiteren fünfzig fruchtbaren Jahren gerechnet … fünfzig Jahren, die man ihr jetzt entrissen hatte. Einen Augenblick lang beneidete sie die Innenwelter fast um ihre kürzere Lebensspanne. Sie hätten weniger einsame Jahre gehabt, dachte sie in einer Anwandlung von Selbstmitleid.
Ihr Blick verdüsterte sich. Llewellyn war ein guter Mann, obwohl er ein Konzernwelter war, aber jedes seiner tröstenden Worte machte den Unterschied zwischen ihnen nur umso deutlicher. Auf den Grenzwelten gab es zu wenig Menschen. Andere
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