Starke Frau, was nun?
ungefähr 15 Stunden vor dem Jahrhundertevent. Dass sie hier auftaucht, hat mich echt verblüfft, denn sonst ist diese Person derart feige, dass man ziemlich lange suchen muss, um was Vergleichbares zu finden. Mut getankt, Baby? Kleine Wesensspaltung hinter dich gebracht? Auf jeden Fall unlogisch! Habe ich nicht wirklich alles getan, um dem jungen Glück nicht im Weg zu stehen? Ich war weg, bevor sie noch ganz ihr ›Yeah‹ von sich geben konnte – endlich raus aus dieser stinkenden Stadt mit all ihren abgefuckten Bewoh ...«
* * *
Stan steht inzwischen hochkant hinter der Scheibe; seine Miene drückt reines Entsetzen aus. Na ja, überall das Gleiche – egal, wo sich der Sender befindet; treffen Ami und Berliner Göre aufeinander, drohen die Aufnahmeleiter reihenweise, an einem Herzinfarkt zugrunde zu gehen.
Als Lisa resolut die Mikrofone schließt und die Taste betätigt, die den nächsten Titel einspielt, greift er sich schwächelnd und mit dankbarem Blick ans Herz.
* * *
Chris – gefangen im möglicherweise größten Wutanfall, der ihn jemals ereilte, bemerkt nicht einmal, dass seine Leitung gekappt wurde.
»...nern. Ihr habt keine Vorstellung, wie selig ich bin, diesen Bullshit hinter mir zu haben. Und jetzt taucht sie hier auf! Also, noch einmal meine Frage, Honey.« Und damit lehnt er sich tatsächlich zu ihr hinüber.
Selbst, wenn die Mikros senden würden, die Fans könnten ihn nur noch entfernt hören … Während sie ihn aufmerksam mustert – nicht ängstlich, wütend oder beides –, fühlt sie in sich eine nie geahnte Ruhe und trifft sehr überlegt ihren Entschluss. Keineswegs, weil sie ihn am liebsten erwürgen will – oh ja, der Wunsch ist wirklich da. Und wie! Nur ist er nicht annähernd so groß wie jener, der ihr die Kraft verleiht, sich schließlich zu erheben.
Übrigens – ja, sie will dringend gehen. Aber nicht vorrangig, weil es ein massiver Fehler war, überhaupt hierher zu kommen – und das war es, da macht sie sich nichts vor. Nein, der Grund, aus dem Lisa relativ gesittet zur Tür schreitet, ist möglicherweise die erste selbstlose Regung ihres so verwöhnten Herzens und damit der Beweis, dass sie diesen Mann tatsächlich liebt.
Einen Macho!
Sie kann nicht länger zusehen, wie er über sich die Kontrolle verliert und damit alles verschwindet, was auch sie (ist ja gut!) fasziniert. Wie er seine Existenz zerstört, möglicherweise seinen Arbeitsplatz verliert, wenn das nicht längst geschehen ist. Ihre Anwesenheit treibt ihn dazu – also muss sie dafür sorgen, dass sie sich aus seiner Nähe entfernt.
Interessant, wie leicht es ihr fällt …
Der Macho ...
Oh my good!
Bisher vermutete Chris insgeheim, ein bisschen wütend auf sie zu sein – nichts, was sich nicht in ungefähr zehn Wochen geben könnte. No problem! Zu den aufbrausenden, cholerischen Typen hat er nie gehört; so etwas geht ihm ja nun völlig ab.
Eine offensichtliche Fehleinschätzung.
Je länger er sie betrachtet, desto zorniger wird er und umso massiver redet er sich in Rage. Die Worte müssen nicht überdacht werden; er trägt sie ja nicht erst seit einigen Tagen, sondern seit Wochen mit sich herum. Und die Erleichterung, sie endlich an die richtige Person zu bringen, ist so überwältigend, dass er einfach alles raus lässt. So, wie es ihm gerade in den Sinn kommt.
»Ups!« Schallend und total humorlos lacht er. »Wo ist denn dein Ehering? Habt ihr den vergessen, oder wird so etwas in euren Kreisen nicht verwendet? Wegen Schonung der endlichen Edelmetallaufkommen? Yeah, schätzungsweise liegt es daran, Baby. Aber du bist fehlinformiert; im Gegensatz zu anderen Bodenschätzen braucht sich Gold nicht auf. Kannst du jederzeit wieder einschmelzen und neu verwerten.« Wieder wagt er einen visuellen Ausflug auf den Monitor – was ein Fehler ist, denn eine rasante Anzahl von Mails ist innerhalb der vergangenen Minuten eingetroffen.
What the fuck?
Wütend schaltet er das Gerät aus, und als er aufschaut, ist die Quelle seines Zornes verschwunden!
Einfach so!
Im ersten Moment ist er so verwirrt, dass er tatsächlich heftig blinzelt. Doch eine Halluzination? Möglicherweise liegt er momentan im Bett und das Ganze findet überhaupt nicht statt!
Doch kaum wagt er einen Blick zur Tür, stöhnt er entnervt. Sicher! Das hätte ihm eigentlich sofort klar sein müssen, denn seine Träume waren noch nie sonderlich lebhaft.
Mit zwei Schritten ist er bei ihr – Stans riesige Augen hinter der Scheibe nimmt er
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