Starke Frau, was nun?
wegen seiner Wut so für sich eingenommen hat. Außerdem lenkt es hervorragend von dem ungehobelten Heini ab, der ihr alle drei Sekunden irgendein Körperteil in die Seite drischt …
Uhhh, ja, er war ja so sauer!
Selbst dieser Kuss war es noch, weshalb er auch sofort dafür sorgte, dass sich Lisas Beine in die Art von Pudding verwandelten, den sie nie wieder essen will. Ehrlich, eines hat sich innerhalb der letzten Wochen herauskristallisiert: Lisas Vorliebe für kalte Milchspeisen gehört der Vergangenheit an.
Und während er sie also um den Verstand küsste und ihre Knochen sich verflüssigten, war sie der festen Überzeugung, er würde – direkt in diesem Senderaum und vor den Ohren Tampas sowie den Augen des zum Herzinfarkt neigenden Stans – grandiosen Sex mit ihr veranstalten. Mit diesen forschenden, unerbittlichen Händen und Lippen auf sich fiel es ihr wirklich nicht leicht, ihn aufzuhalten. Da stritten sich zwei Seiten in ihr, wobei die eine – die, der schon immer egal war, was andere dachten, besonders die von der fleischfressenden Fraktion – energisch darauf bestand, ihn gewähren zu lassen. Eine Webcam hatte sie nicht entdecken können. Also, was sollte es?
Da war aber auch die andere, die sich durch den stetig dichter werdenden Nebel der Leidenschaft zu Lisas Verstand vorkämpfte, und darauf beharrte, dass Stan durchaus auch Vegetarier sein könnte. Wenngleich er damit wohl so etwas wie ein Alien auf dem Florida-Planeten darstellen dürfte. Leider war Lisa noch nie egal, was ihre Seite von ihr denkt. Jedenfalls, solange sie selbst noch zu ihrer Seite gehört. Und auch jetzt noch fällt es schwer, deren Meinung zu ignorieren, wenngleich es ihr mittlerweile das eine ums andere Mal gelingt.
Wie immer – wofür sie sich übrigens jetzt noch schlagen könnte – siegte am Ende der Gedanke, dass man ihnen zusehen würde, und sie befahl sich mit aller Kraft, ihn von sich zu schieben. Der Kampf währte circa fünf Ewigkeiten, in denen Lisa ungefähr zwanzig Mal meinte, zu unterliegen. Grinsend. Freudig. Äußerst bereitwillig – oh ja!
Doch am Ende siegte sie. Was möglicherweise daran lag, dass Chris wenigstens rudimentär so etwas wie Denkfähigkeit zurückerlangte. Er löste sich von ihr und …
»Hey!«
Der nächste Rippenstoß reißt Lisa aus ihrer Träumerei. »Watt is?«, faucht sie.
Er grinst. »Willst du noch deine zweite Hälfte?«
»Watt?«
»Dein Brot, willst du das noch?«
Brot? Na ja, kann man so übersetzen; der Pseudoami spricht nämlich ausschließlich Englisch, was Lisa kalt lächelnd übergeht und sich wacker ans Deutsch hält. Sie ist entschlossen, diesen Kampf für sich zu entscheiden. Egal, was noch kommt.
Was noch kommt …
Prompt gehört ihre Wut, die ohnehin nicht sehr gravierend war, der Vergangenheit an und ein ziemlich mieses Gefühl erobert ihren Magen. Ausdruckslos beobachtet sie, wie Chris ihr die andere Hälfte des Pseudobrotes stiehlt; erst dann fällt ihr auf, dass er während ihrer Grübeleinlage das gesamte Ei vernichtet hat.
Na ja … verfressener Macho eben.
Apropos … was noch kommt?
Was kommt denn noch?
Wie von Zauberhand stand gestern Abend ein Moderator im Raum. Möglicherweise verfügen die hier im Amiland über so eine Art Depot, woraus man die entnehmen kann, wenn die erste Wahl gerade wegen akuten Durchdrehens verhindert ist.
Und danach wurden sie von einem immer noch leichenblassen Stan mehr oder weniger aus dem Sender komplimentiert. Lisa ist ehrlich nicht sicher, ob Chris dort ab sofort Hausverbot genießt. Verwundern würde es sie nicht.
Aber dafür, dass seine drohende Verelendung im Raum steht, wirkt er ziemlich frisch und unbekümmert.
Denn nachdem er ihr Pseudobrötchen aufgegessen hat und lange, sehr wehmütig auf das Tablett gestarrt hat – möglicherweise hätte er noch mal die doppelte Menge in sich hineingeschaufelt –, sieht er plötzlich auf. »Ich hätte ja ehrlich gedacht, dass du ein bisschen mehr zu bieten hast, wenn du hier schon wie Phoenix aus der Asche aufkreuzt.«
»Aha.«
Chris nickt und stellt wie nebenbei das Tablett auf den Superteuerparkettboden, der in seinem gesamten, tatsächlich nicht unbedingt spartanisch eingerichteten Appartement ausgelegt ist. Vertraulich rückt er näher und nestelt die Decke hinab, bis ihre Brüste in der strahlenden Sonne bloßliegen. Eine freche Fingerspitze fährt dazwischen; dabei schaut er sie unverwandt an. »Du schuldest mir noch ein paar Antworten
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