Starke Frau, was nun?
Polizei beigesteuert wurde –, Steine fliegen, hier und dort brennen die ersten Papierkörbe. Katrin heult, Gertrud ist blass, Karla hustet, Rita hat ein beachtliches Veilchen und Lisa dröhnt der Schädel.
Chris untersucht währenddessen Peggys Kopfwunde. »Sie muss ins hospi...« Er sieht auf und stoppt unvermittelt. »LISA!«
Die fährt herum und schaut dem riesigen Typen von vorhin direkt in dessen dunkle Augen unter der Kapuze. Seine Faust ist erhoben; Gertrud will brüllend dazwischengehen, doch bevor sie ihn erwischt, wird Lisa zur Seite geworfen. Mangels Platz landet sie auf irgendeinem Mann. Diesmal nicht in Schwarz, nur ein Demonstrant. »Tschuldigung«, keucht sie und beobachtet, wie Chris die Autonomen zu Brei verarbeitet. Gertrud lässt sich auch nicht lumpen und prügelt gleichzeitig auf ihn ein; Rita gesellt sich nach kurzem Zögern hinzu. Dann eilt ein anderer aus dem Autonomenblock seinem Kumpel zu Hilfe und zieht Chris eins mit der Faust über.
»VON HINTEN, DU SCHWEIN!«, brüllt Lisa, und schon hängt sie dem neuesten Angreifer auf dem Rücken ...
Wie lange das Gerangel geht, weiß sie nicht, doch irgendwann trifft sie ein derber Schlag an der Schläfe.
Kein Stein!, denkt sie mit einiger Verwunderung. Ihre Hände geben den festen Jackenstoff des prügelnden Kerls frei; um sie herum wird es dunkel und aus weiter Ferne hört sie Chris´ heisere Schreie. »THAT‘S JUST A LITTLE GIRL, FUCKHEAD!« Heftig blinzelt sie, um aus dem düsteren Einerlei wieder etwas Erkennbares zu machen; es gelingt ihr rechtzeitig genug, um zu sehen, wie ein Uniformierter auf Chris einschlägt.
Auf den Kopf!
»NEIN!«, schreit sie außer sich und wirft sich mit einem Hechtsprung auf den Polizisten. »Er hat doch nichts getan!« Wie irre zerrt sie am Ärmel des Beamten, der brüllend herumfährt – den Gummiknüppel in der Hand. Sie blickt in gehetzte, panische Augen hinter dem dichten Visier, bevor er den Arm hebt, um auf sie einzuschlagen, und Chris sich brüllend von hinten auf ihn wirft.
Oh ... Scheiße!
* * *
»Das reicht aber fürs Erste, yeah?
Lisa schaut auf, die Stirn gerunzelt. »Du hast keine Ahnung!«
»Ach nein?« Lachend wirft er den Kopf zurück; ihre Schädel sind ziemlich dick mit Verbänden versehen und die Augen vom Pfefferspray gerötet. Aber das ist ja nicht das Schlimmste: Momentan sitzen sie in einer waschechten Gefängniszelle mit ungefähr fünfzig anderen Leuten, die das Pech hatten, heute zufälligerweise Unter den Linden zu stranden. Sie wirken auch recht mitgenommen; die Sanitäter hatten jede Menge zu tun, um alle zu verarzten. Das Revier glich über Stunden einem Lazarett.
»Die Ziele mögen nicht von der Hand zu weisen sein«, erwidert Chris. »Aber das Ergebnis ist Shit!«
»So war das nicht geplant!«, mault Lisa. »Das weißt du ...«
»Entschuldigung?«
Beide blicken auf. Ein junges Mädchen steht vor ihnen; ihre Wange ziert ein breites Pflaster, die Pupillen sind blutunterlaufen und die einst teure Jacke ist an etlichen Stellen zerrissen. »Seid ihr Lisa und Chris?«
Sie mustern sich, der Ami hebt eine Braue und die Berliner Göre seufzt, dann nicken sie synchron.
Das Mädchen grinst. Mit blutigen Händen zieht sie ein Foto aus der einstmals wirklich schönen Jacke. »Ich habe gestern im Radio euren Aufruf gehört und bin gekommen. Ehrlich, es war cool und ihr seid die Geilsten!«, strahlt sie. »Unterschreibt ihr?«
Chris lacht und Lisa stöhnt.
Nachdem beide ihren Willi auf das Foto gekritzelt haben, stöhnt Lisa noch lauter. »Jetzt haben wir den Ruf endgültig weg. Lisa Radtke und Chris Scout, die neuen Rächer der Unterprivilegierten.«
»Du hättest nicht hingehen müssen«, bemerkt er.
»Ich wollte! Du musstest mir ja unbedingt hinterherscheißern.«
»Ach ja? Ich dachte mir, das könnte interessant werden, stattdessen traf ich auf einen Haufen irrer, unbefriedigter, militanter Weiber!« Vorwurfsvoll betrachtet er sie. »Ehrlich, Baby, meinst du, dort findest du irgendetwas, das dir im Leben weiterhelfen kann?«
»Du kennst sie nicht!«
»Jetzt schon. Und ich muss sagen, meine grausamsten Albträume wurden weit übertroffen.«
»Ach, du träumst von Feministinnen? Darüber würde ich mir echt mal Gedanken machen.«
»Haha!«, lacht er aufgesetzt und schließt die Lider. »Fuck! Das ist so krank ...«
»Das ist keine Show!«, murmelt im Hintergrund eine weibliche Stimme. »Die spielen das nicht; die sind wirklich so abgedreht.«
Lisa und Chris sehen
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