Starke Frauen
machen.« Aber auch keine weichliche Frau. In ihrem Hospital herrscht ein strenges Regiment. Einer Frau, die das Gebet verschläft, gibt sie eine Ohrfeige. Einem Mädchen, das bei der Arbeit nicht spurt, schneidet sie kurzerhand das Haar ab. Ja, sie kann auch unerbittlich sein. Kurz: Als Willensmensch ist sie Konrad durchaus gewachsen – und als Christ haushoch überlegen.
Denn sie bewahrt in jeder Situation Würde und klaren Verstand. Und doch bringt diese »Närrin in Christo« mit ihrem passiven Widerstand das Althergebrachte durcheinander. Als Elisabeth tödlich erkrankt, erscheint der unvermeidliche »Seelenführer« am Sterbebett und fragt nach ihrem Testament: »Ich habe Eurem Befehl alles geopfert, mein Leben, meine Kinder, meinen freien Willen. Und jetzt soll ich ein Testament machen?« Sie gewinnt auch die letzte Machtprobe.
Nachdem die 24-Jährige in der Kapelle des Spitals aufgebahrt wurde, berichtet die Marburger Spitalschwester Irmgard, hätten Leute zum Zeichen ihrer Verehrung Stücke von den Leichentüchern abgerissen, der Toten Haar, Nägel, gar einen Finger abgeschnitten. Fünf Jahre später wird sie feierlich in die frühgotische Elisabethkirche in Magdeburg umgebettet; unter dem Schrein aus purem Gold läuft, barfuß und im grauen Büßergewand, der verschmähte Kaiser Friedrich II. Konrad strebt mit aller Kraft Elisabeths Heiligsprechung an. Bis 1233 werden über 600 Zeugen vernommen, 105 Wunder als glaubwürdig registriert. Zu Pfingsten 1235 wird Elisabeth von Thüringen von Papst Gregor IX. in das Verzeichnis der Heiligen aufgenommen.
Einmal, so heißt es, schleppte die Thüringer First Lady unerlaubt einen Korb voller Brote für die Armen von der Wartburg nach Eisenach. Als ihr Mann, der Graf, sie stellte, war ihr Korb voller Rosen. Ein anderes Mal legte sie in seiner Abwesenheit einen Aussätzigen in sein Bett, um ihn besser pflegen zu können: »Als dies demLandgrafen gemeldet wurde, eilte er, um sich selbst von dieser Ungeheuerlichkeit zu überzeugen.« Leiser Groll stieg in ihm auf, er riss die Decke hoch und fand – den Gekreuzigten aus Holz.
Beide »Wunder« gehören in das Reich der Legenden, die den Verstand besänftigen, um zu helfen, die Heiligen zu verstehen, sie mit der Seele zu sehen. Elisabeth jedenfalls teilte, was sie hatte, um mehr sein zu können.
Am 2. September 1950 versammelt sich im überfüllten Kurhaus von Baden-Baden alles, was in Deutschland Rang und Namen hat: Prominente, Politiker, Presse. Das Millionenpublikum nimmt teil via Wochenschau. Alle wollen dabei sein, wenn die erste Miss Germany der jungen Bundesrepublik gewählt wird. Not und Elend des Krieges sind nicht vergessen, aber man kann sich wieder etwas gönnen und sehnt sich nach neuen Idolen.
Die Gewinnerin: Susanne Erichsen, geboren in Berlin, Miss Schleswig-Holstein; den Titel hatte sie bei einem Badeurlaub auf Sylt erworben. Sie erhält einen Gutschein über eine Woche Urlaub im Golfhotel (den sie nicht einlösen kann, da sie zu beschäftigt ist) und einen Gutschein von Pan Am für einen Flug in die USA (den sie nie einlöst, weil sie den Rückflug selbst hätte zahlen müssen). Eine Woche später präsentiert sich Germanias Schönste in Rimini bei der Miss-Europa-Wahl.
Dabei hielt die Hebamme es für notwendig, Susannes Mutter nach der Geburt ihrer Tochter zu trösten: »Ach, Jottchen, kiek mal, doppelte Ohrläppchen hat se och noch. Schön isse ja nich, aba det wird«, berichtet Susanne in ihrer Biografie Ein Nerz und eine Krone .
Sie erzählt auch, wie ihr Vater verschwand, als sie vier war, und der Stiefvater, ein Spezialist für Maschinenbau, von russischen Headhuntern angeworben wurde: Stalins Sowjetunion brauchte Fachkräfte, um ihren Aufbau voranzutreiben.
1932 geht der deutsche Ingenieur samt seiner Verlobten und ihrer Tochter nach St. Petersburg, die Stadt an der Newa, in welcher der Glanz der alten Zarenzeit noch überall spürbar ist. Die »Gastarbeiterfamilie« wohnt zusammen mit 25 anderen Familien im ehemaligen Fürstenpalais. Weißer Marmorfußboden, Stuck, Kronleuchter: »Es war zu schön. Es war ein Märchen.« Aber auf der Straße leben Kinder, die Hunger haben. Mit einem von ihnen teilt sie ihre Brotzeit – bei ihrem ersten Aufenthalt in Russland hat sie ja genug zu essen. 1935, gerade noch rechtzeitig, bevor die stalinistischen Säuberungsaktionen, die Schauprozesse, die Deportation von »Staatsfeinden« und ausländischen »Spionen« in die Gulags beginnen, geht es zurück
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