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Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Horáková
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gekommen. Ich ging ziemlich empört mit ihm in München aufs Standesamt.« Als »Frau Professor Kruse« ist Käthe vorzeigefähig, darf zurück nach Berlin und beginnt, noch mehr Puppen zu basteln: Puppen zum Knuddeln. Und die Kunden reißen sich um ihre »Babys«, die für Zärtlichkeit und Zuspruch stehen, für eine Erziehung, in der Verständnis Drohungen und Dressur ersetzt; Spielgefährten, welche die Kinderseele vor der Brutalität und Seelenlosigkeit der Erwachsenen schützen.
    Die »Puppe Nr. 1« ist ein Kleinkind, das sich fast wie ein Menschenbaby anfühlt. Den Kopf hat der Bildhauer-Gatte modelliert. Käthe stellt ihre »Babys« 1910 bei der Ausstellung »Spielzeug aus eigener Hand« im Berliner Warenhaus Tietz aus. Es wird ein Sensationserfolg: »Diese talentvolle junge Mutter ... (trat eine) förmliche Revolution der Puppenindustrie los«, schreibt die Presse.
    Käthe Kruse wird berühmt, und ihr Künstler-Gatte, der zunehmend als »Mann von Käthe« wahrgenommen wird, hat schwer daran zu schlucken. 1912 eröffnet Käthe Kruse in Bad Kösen an der Saale eine Fabrik für die serienmäßige Herstellung ihrer Kreationen. Bald folgen internationale Aufträge und Auszeichnungen.
    Frau Kruse schuftet, macht Gewinne, unterstützt ihren von ihr mittlerweile finanziell abhängigen Ehemann. Aus ihrer Großzügigkeit wird Gewohnheitsrecht, Max Kruse leitet einen 15-jährigen Streit um seinen Anteil an ihrer Produktion ein. Er sieht seine Familie immer seltener und lässt sich von der ältesten Tochter Marie versorgen. Käthe Kruse allein steuert das Unternehmen durch die Wirtschaftskrise, erfindet immer neue Puppen (einen Soldaten mit beweglichen Gliedern, die Schaufensterpuppe): »Es war eine fleißige Zeit. Und eine selige. Aber schwer war’s.« Am 21. Januar 1925 schickt Käthe ihrem Mann einen Brief: Sie will noch ein Kind. »Geliebter Herzlieb ... dass ich kein Baby mehr haben soll, geht nicht, Geliebter, bitte, bitte, bitte, ich hab jetzt ein Rezept für Mäderles. Und ich hol mir also noch eines – für meine Arbeit und fürmein Alter ...« Er, immerhin 71 Jahre, lehnt ab. Sie reagiert verwirrt: »Du denkst bloß, wir dürfen nicht mehr spielen«, sie umschreibt Sex immer als Spiel, »und ich mein, es hält dich doch jung. Wenn ich nur noch dein Freund sein soll – muss ich mich da ändern? Oder kann ich doch bleiben, wie ich bin? « »Bin ich denn keine Frau mehr – nur noch eine Puppe?«, fragt sie sich, akzeptiert aber die Entscheidung ihres Mannes und nennt ihn von nun an »liebes Väterchen«: »Er war ein Genie – aber er war stolz. Und ich bin nichts weniger als ein Genie, aber ich bin – na, sagen wir einmal: ein bisschen liebenswürdig. Damit hab ich’s geschafft und er nicht.« Die Unternehmerin fühlt sich, knapp 50-jährig, immer noch begehrenswert, gönnt sich eine Affäre mit dem jüngeren Kulturjournalisten Fred Hildebrandt und lässt sich die Zöpfe abschneiden. Mit neuer Frisur und neuem Selbstbewusstsein ausgestattet, führt sie ihr Unternehmen durch den Zweiten Weltkrieg und die Besatzungszeit (in der ihr Betrieb durch die DDR-Führung enteignet wird), startet im bayerischen Donauwörth noch mal von vorn; da sind ihre Kinder längst in das Unternehmen eingeführt.
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    »Wer aufgibt, ist am Ende«
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    Käthe Kruse. Als Puppenmutter unübertroffen. Aber konnte sie ihren sieben Kindern jene menschliche Wärme bieten, die sie bei ihrer Mutter vermisste? »Ich bin im Tiefsten überzeugt, dass es nur eine einzige unlösbare Bindung gibt im Leben, eben die zwischen Mutter und Kind«, sagte sie. Andererseits verbot sie ihren Kindern, sie »Mutter« zu nennen, sie sollten »Kätchen« sagen. Sie schickte sie auf Internate, wo sie allen Komfort und eine gute Erziehung genossen – Zärtlichkeit und Verständnis jedoch eher nicht im Angebot waren. Hat Käthe Kruse als Mutter versagt? Sie jedenfalls war überzeugt, dass die glücklichsten Jahre ihres Lebens »immer die waren, in denen ich ein neues Baby bekam«.

Dass ihre jüdische Herkunft in Deutschland ein Problem sein könnte, merkt die Tochter eines Privatbankiers aus Wuppertal bereits als Kind.
    Ihre schwärmerische, aber schwermütige Mama, die in ihrem Literaturzirkel aufgeht, spielt mit der Zweijährigen. »Einwortsagen nannten wir geheimnisvoll ein Spiel. Meine Mutter rief wichtig ›Schokolade‹ und ich erwiderte ein sich darauf reimendes Wort. Meine Mutter: ›Tinte.‹ ›Flinte.‹ ›Paul.‹ ›Faul‹ ...« Paul, Elses

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