Starke Frauen
bringen: »Es ist nicht leicht, mit mir verheiratet zu sein.« Einer ihrer Liebhaber ist der Maler Max Ernst (dem sie seine panische Angst vor Impotenz gründlich austreibt).
Aus enthusiastischen Geliebten werden tolerante Liebende: »Wenn ich mich nach dir sehne, so denke ich am meisten an den Klang deiner Stimme, die ich wie eine Naturkraft liebe«, lässt Kurt Weill sie wissen – und komponiert für sie zwei Werke: Den Aufstieg und Fall der Stadt Mahagony und Die Dreigroschenoper , in der Lotte als Seeräuberjenny begeistert. Die Texte für beide Singspiele schreibt der schillernde Macho und Salon-Kommunist Bertolt Brecht.
Jetzt ist die Lenya gefragt. Sie spielt in Frank Wedekinds Frühlings Erwachen , in Stücken von Lion Feuchtwanger und löst einen der größten Theaterskandale der 1920er Jahre aus, als sie in Marieluise Fleißners Pioniere in Ingolstadt während eines Liebesakts im Sarg denselben kräftig wackeln lässt. Berlin leuchtet. Das echte Leben jedoch steht kurz vor dem Zusammenbruch. 1932 gibt es sechs Millionen Arbeitslose, die Konkurslisten werden täglich länger: »Bettler und Prostituierte säumten die Straßen in Dreierreihen«, erinnert sich Lotte später. Und am Horizont – Hitlers Schergen.
Am 21. März 1933 verlässt das Paar Berlin Richtung Paris. Dort wird Weill mit offenen Armen und lohnenden Auftragsarbeiten erwartet. Für Die sieben Todsünden lässt er nicht nur Lotte, sondern auch deren aktuellen Liebhaber engagieren. Weill kennt alle ihre Fehler, aber tut alles, um sie zu halten. Sie hatten einst vereinbart, keine Kinder zu haben. Jetzt aber will Lotte eins, allerdings mit ihrem Geliebten, und gesteht es Kurt: »Er sah mich an und sagte: ›Das würde mir sehr wehtun.‹ Das genügte. Ich sagte: Okay, ich werde keins kriegen.« Sie bleibt kinderlos, reicht aber die Scheidung ein.
Frisch geschieden schreibt Kurt seiner Ex: »Du weißt, dass du jederzeit und in jeder Weise auf mich rechnen kannst, dass du dir keine Sorgen zu machen brauchst, solange ich verdiene.« Und sie, wieder Single, bittet selbstironisch: »Solltest du einen netten Amerikaner für mich finden – einen, der mich schnell heiratet, damit ich einen amerikanischen Pass bekomme –, bitte merke ihn dir!« Am 4. September 1934 legen sie nach New York ab.
Kurt beschließt, ein Vollblut-Amerikaner zu werden, verbietet Gespräche auf Deutsch, meidet Flüchtlinge, komponiert wie besessen. Die Tantiemen aus seinen neuen Musicals und die Gagen für seine Filmmusiken stocken sein Konto auf. Lotte hingegen hat es schwer. Für eine knapp 40-Jährige mit Akzent gibt es in Amerika wenig adäquate Rollen.
Am 19. Januar 1937 heiraten Weill und Lenya zum zweiten Mal.
Die Ringe habe sie unterwegs zur Trauung bei Woolworth für 50 Cent gekauft. Natürlich gehen sie beide auch weiterhin fremd, aber finden sich »schrecklich normal«: »Ich glaube, wir sind das einzige Ehepaar ohne Probleme«, stellt Kurt vergnügt fest. Ihre Liebe, die allen Herausforderungen des chaotischen 20. Jahrhunderts gewachsen ist, scheint unantastbar. Unterwegs, von einer Theatertournee, schreibt Lotte ihrem Gatten: »Liebling, ich habe dir von meinem Ersparten drei Pyjamas und einen Morgenmantel gekauft.« Kurt, der mehrere Herzinfarkte weggesteckt hat, muss nach einem weiteren ins Krankenhaus: »Lenya, liebst du mich wirklich?« – »Nur dich«, sagt sie, es ist die Wahrheit. Einen Monat nach seinem 50. Geburtstag ist Kurt Weill tot.
Die Witwe beschließt, ihr Leben in den Dienst seiner Musik zustellen. Sie ist finanziell unabhängig und, so glaubt sie, nicht geschaffen, allein zu bleiben. Nach elf Monaten Einsamkeit heiratet Lotte wieder.
Ihre folgenden Ehemänner sind allesamt Alkoholiker, schwul (als würde sie dem toten Kurt treu bleiben wollen) und jünger.
Gatte Nummer zwei ist George Davis, ein Schriftsteller, und er überredet sie immerhin, 1952 in der englischen Fassung der Dreigroschenoper aufzutreten. Die Threepenny Opera in einem kleinen Off-Broadway-Theater mit Lotte als Jenny bricht alle Rekorde: 2707 Vorstellungen, eine Dreiviertelmillion Besucher. Aus der »widow Weill« wird ein Showstar. George stirbt mit 51 an einem Herzinfarkt. »Ich fühle mich, als würde ich unter Wasser schwimmen, und wage es nicht so recht, den Kopfe rauszustrecken.« Aber fast im gleichen Atemzug gibt sie zu: »Ich würde so gerne einen Mann finden, den Richtigen.« Und wischt den Anfall von Selbstmitleid mit ihrem drastischen Humor weg: »Bevor ich
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