Starke Frauen
Habsburgerreiches eingehen. Rückblickend auf ihr Leben, schrieb sie in ihr Gebetbuch: »In religions, geistlich, justizsachen, Kinderzucht, standsobligationen weiß ich mich nicht besonders schuldig. Ich klag mich aber an aller unwissenden fremden vergessenen sünden und all meiner gebrechen, erkenne mich vor Gott schuldig aller in mein leben begangenen krieg aus hoffart, neid, zorn, trägheit, weichlichkeit, wider den Nächsten in reden, in wenig charitat.«
Maria Theresia war einer reinen Männergesellschaft ausgesetzt. Doch sie erwarb die Sympathien der Herren und imponierte ihnen, zuerst durch Lernbereitschaft, später durch Fachkompetenz und Glaubwürdigkeit. Die Männer spürten, dass diese Frau in sich ruhte,weil ihr der »Beruf« wichtiger war als ihre Person. Dass man sie weder korrumpieren noch brechen konnte. Maria Theresia war, wie so viele Power-Ladys, beides: sachlich und sinnlich, vital und warmherzig. Als »First Mother« ihres Reiches bemutterte sie ihre Völker und beherrschte ihre Kinder. Doppelbelastung? Für Maria Theresia ein Fremdwort. Ihr Credo? »Wir sind auf der Welt, damit wir anderen Gutes erweisen.«
Die Braut trägt ein hellgrünes Seidenkleid, bestickt mit rosa Rosen, als sie ihren »verbummelten Studenten« (so das Urteil ihres Halbbruders) am 16. Juni 1843 heiratet: Karl hat endlich einen Doktortitel in Philosophie, eine Aussicht auf Anstellung und ist – obwohl er einer alten Rabbinerfamilie entstammt und sich als Atheist fühlt – bereit, sich in der protestantischen Pauluskirche in Bad Kreuznach trauen zu lassen. Ein Ehevertrag, der Marx verpflichtet, für seine bisherigen Schulden allein aufzukommen, wird am Tag zuvor unterschrieben. Dass die Gebühren für die Trauung und die Kosten der Hochzeitsreise Jennys verwitwete Mutter übernimmt, hält er für selbstverständlich.
Genau wie den Umstand, dass das Kästchen mit Jennys Erbschaft in bar, das die Eheleute mit in die Flitterwochen nehmen, in jedem Hotel offen auf dem Tisch steht, damit sich Gesinnungsgenossen daraus ungeniert bedienen können. Es ist binnen Wochen leer. Und das Familiensilber aus Jennys Aussteuer ist in den folgenden Ehejahren öfter im Pfandhaus als auf dem Küchentisch zu sehen.
Marx braucht immer viel »Kapital«. Aber er lernt nie, Geld zu verdienen, einem »bürgerlichen Broterwerb« ist er niemals nachgegangen. Ist es ein Zeichen von dickem Fell, geistiger Stärke oder doch eher konsequent? Predigt er nicht unermüdlich, dass das Geld den Menschen von seinem wahren Ich entfremdet? »Je weniger du bist, je weniger du dein Leben äußerst, umso mehr hast du, umso größer ist dein entäußertes Leben«, steht im Kapital , seinem Hauptwerk.
Ein Jahr nach der Hochzeit muss Marx wegen Majestätsbeleidigung ins Exil. Jenny geht mit und bekommt am 1. Mai 1844 in Paris das erste ihrer Kinder, die sie »unterwegs« zur Welt bringt: Jennychen. Karl ist entzückt, obwohl sein »armes Püppchen« bis zur Erschöpfung schreit und von lebenbedrohlichen Krämpfen befallen wird.
Erst Heinrich Heine, Karls entfernter Verwandter und Exilant wie er, erlöst die überforderten Eltern: »Das Kind braucht ein Bad«, erkennt er und reinigt höchstpersönlich das Baby.
Marx verbringt seine Tage mit Lesen, Schreiben, Kneipenbesuchen und Pläneschmieden. Jenny versetzte ihr Silber, ihre Mutter überlässt dem Paar das Dienstmädchen Lenchen. 1845 veröffentlicht Marx seine These, die zum Credo künftiger Revolutionäre wird: »Die Philosophenhaben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.«
Die Pariser Behörden werten das als Aufruf zum Aufstand, verweisen den Unruhestifter des Landes, die junge Familie siedelt nach Belgien um. 1848 erscheint das Manifest der Kommunistischen Partei : »Proletarier aller Länder, vereinigt euch!«, fordern Marx und sein uneigennütziger Freund, Mitstreiter und Mäzen Friedrich Engels. Die Brüsseler Regierung lässt Marx wegen Konspiration und Jenny wegen »Landstreicherei« verhaften. Die Nacht auf der Wache mit »Prostituierten der niedrigsten Sorte« ist für die geborene Gräfin Jenny ein Schock. Am Tag der Entlassung wird die Familie Marx ausgewiesen.
Nach etlichen Umwegen landet Marx mit Jenny, Lenchen und drei kleinen Kindern in London, in einer Zweizimmerwohnung ohne fließendes Wasser: »Waschen, Kämmen, Wäschewechseln gehört bei ihm zu den Seltenheiten«, berichtet ein preußischer Spitzel seinem Vorgesetzten, dem preußischen
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