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Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Horáková
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Regierungsrat (und Jennys Halbbruder) Edgar von Westphalen. »In keiner der Stuben ein sauberes oder anständiges Möbelstück, alles ist zerbrochen, zerschlissen, zerfetzt, fingerdicker Staub klebt darauf ... Manuskripte, Bücher und Zeitungen liegen kunterbunt neben Spielzeug und Fetzen aus dem Nähkorb seiner Frau, Tassen mit zerkerbten Rändern, schmutzige Löffel ...«
    Als die Vollzugsbeamten, wie Jenny ihrer Mutter schreibt, auch »all meine kleine Habe mit Beschlag belegten, Betten, Wäsche, Kleider, alles, selbst die Wiege meines armen Kindes«, spielt Marx mit dem Gedanken, nach Amerika auszuwandern.
    Gerettet hat die Familie einmal mehr Engels, der in der Textilfabrik seines Vaters in Manchester arbeitet. Er schickt nicht nur regelmäßig Geld, sondern schreibt auch ab und zu Artikel, die Marx lediglich signierte. Jenny beginnt, für deutsche Zeitungen Artikel über die Londoner Kulturszene zu verfassen.
    In dieser Zeit lässt Jennys Erstgeborene ihre Mutter und Lenchen jenen Fragebogen ausfüllen, mit dem man sich bei Gesellschaften die Zeit vertreibt: Für Jenny ist darin Glück »Gesundheit«, Unglück »Abhängigkeit«. Sie hasst »Schulden«, ihre Lieblingsbeschäftigung ist »Handarbeit«. Und als ihr Hauptmerkmal nennt sie »Empfindsamkeit«.Für Lenchen, die sechs Jahre jünger als ihre Herrin ist und den Chef im Schach schlagen kann, besteht Glück darin, »eine Mahlzeit essen, die ich nicht gekocht habe«, und Unglück darin, »von anderen abhängig sein«. Ihre Heldin: »Meine Kaffeekanne«, ihre Maxime: »Leben und leben lassen«. Als Hauptmerkmal gibt sie »Die Liebe zu den kleinen Marxens« an.
    Am 31. März 1851 berichtet Marx: »Meine Frau ist leider von einem Mädchen und nicht von einem garçon entbunden.« Wenige Monate später stirbt das Neugeborene, weil sich der Revolutionär keinen Arzt leisten kann.
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    »Der Mann kräftigt sich im Kampf, wir sitzen daheim und stopfen Strümpfe«
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    Drei Monate nachdem Jenny ihr fünftes Kind zur Welt bringt, wird auch Lenchen Mutter. Sie weigert sich, den Vater ihres Sohnes zu verraten, aber keiner zweifelt daran, dass es der alte Marx selber ist. Der »Mohr« (so nennt ihn seine Familie) zwingt das Dienstmädchen, ihr Baby wegzugeben: Mit einem »Bastard« im Hause könnten seine Töchter niemals angemessen heiraten.
    Und Jenny, die duldsame Protestantin? Nach außen hin verzeiht, versteht, entschuldigt sie den maßlosen Egoismus ihres Gatten: Immerhin ist er kein Schürzenjäger (wie Engels) und meidet, im Unterschied zu den meisten Männern im viktorianischen England, Bordelle.
    Nicht zu vergessen, die gebildete Aristokratentochter verteidigt inzwischen die Visionen ihres Mannes von einer gerechteren, humaneren Gesellschaft mit fast mehr Glut als er selbst, denn sie kennt den echten Marx, den radikalen Humanisten, und nicht den von Lenin, Stalin & Co. pervertierten Vater einer weltlichen Erlösungstheorie. Jenny ist die erste Herzblut-Marxistin Europas, während er zu Protokoll gibt: »Alles, was ich weiß, ist, dass ich kein Marxist bin.«
    Dennoch geht sie nicht nur an »Mohrs« Vertrauensbruch, sondern an der ganzen Alltagsmisere allmählich zugrunde. Kaum kommt Geld ins Haus – durch Erbschaften, Spenden von Genossen oder Honorare –, zieht die Familie in eine Villa, und Marx lässt goldumrandete Visitenkarten drucken: »Dr. Marx & Mme Jenny Marx née Baronesse deWestphalen« bitten zu einem Ball in ihre »Residenz«. Diener in Livree, Tanzkapelle, neue Kleider für die einstige Ballkönigin. Die Mädchen bekommen Ponys und besuchen ein »Damenseminar«, um sie mit jenen sozialen »Aufklebern« auszustatten, die man für Geld kaufen kann. Zwei Jahre später landet alles im Pfandhaus.
    Und Marx berichtet an Engels: »Meine Frau sagt mir jeden Tag, sie wünschte, sie läge mit den Kindern im Grab, und ich kann es ihr wahrlich nicht verdenken, denn die Demütigungen, Qualen und Schrecken sind in der Tat unbeschreiblich.« Jenny leidet an schweren Depressionen: Drei ihrer sieben Kinder sind vor ihr gestorben. Und bei den drei lebenden Töchtern findet sie auch keinen Halt, die himmeln ihren Papa an, der als Führer der internationalen Arbeiterbewegung in ihren Augen zu einem Mix aus Messias und Märtyrer aufgestiegen ist.
    Als 1867 Das Kapital erscheint, bessert sich die finanzielle Situation der Familie. Im gleichen Jahr wird bei Jenny Krebs diagnostiziert. Sie, müde, leer, erschöpft: »Uns Frauen fällt bei allen diesen Kämpfen der

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