Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Horáková
Vom Netzwerk:
noch nie, das geht gar nicht. Aber Pippi vertreibt mit ihrem Lachen den Mief der Trümmerzeit aus den deutschen Kinderzimmern, wird zum Instrument politischer Früherziehung. In Stalins Sowjetunion wird das Buch verboten.
    Nach Pippi Langstrumpf kommen Madita und Ronja Räubertochter , nach Astrid Lindgren Erich Kästner, Christine Nöstlinger. Das Markenzeichen der Oetinger-Bücher ist ein fantasievoller Realismus, der das Geschehen sozialkritisch begleitet, damit die Kinder lernen, mit Ängsten, Krisen, Lügen umzugehen. Falsche heile Welt? Tabu. Aus der Starautorin Lindgren ist längst eine Freundin geworden,aus der Sekretärin die Verlegergattin. Die Verlegergattin wird Chefin – und die Chefin wird Workaholic.
    Abends klingelt das Telefon an ihrem Schreibtisch: »Komm doch schon nach Hause!«, bittet ihr Mann. »Bin gleich da«, verspricht sie. Eine Stunde später ist sein Ton schärfer: »Ich mag nicht länger warten.« Sie: »Bin schon unterwegs!« Ist sie nicht. Der Rollentausch ist vollbracht, die Folgen ebenso typisch wie unabwendbar: Mit der Frau eines Freundes, neunzehn Jahre jünger, lässt Friedrich Oetinger 1974 seine Frau sitzen. »Das war sehr bitter«, erinnert sie sich. Ein Seitensprung des Mannes gilt noch als Kavaliersdelikt. Für die Frau ist die Scheidung jedoch eine Schande, da ein »Beweis«, dass sie als Frau »versagte«.
    Heidi schottet sich ab. (»Darüber redet man nicht, schon gar nicht mit den eigenen Kindern.«)
    Heidi Oetinger erweitert den Verlag, teilt sich die Verantwortung mit ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn und ihren drei Enkeln, der Familienbetrieb bietet globalen Verlagsimperien die Stirn. Sie engagiert sich ehrenamtlich, organisiert Lesewettbewerbe, an denen bereits 1973 ausländische Schulkinder teilnehmen: »Es ist besonders wichtig, diese Kinder auch durch das Lesen immer stärker mit unserer Sprache vertraut zu machen, damit sie ohne Schwierigkeiten im täglichen Leben mit unseren Kindern aufwachsen können.«
    Die Tatsache, dass Astrid Lindgren 1978 als erste Kinderbuchautorin den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält, ist ein Meilenstein der deutschen Buchkultur – und zugleich eine Anerkennung für Heidis Einsatz. 1988, an ihrem 80. Geburtstag, wird Heidi Oetinger vom schwedischen König Carl XVI. Gustaf zum Ritter der ersten Klasse des Königlich Schwedischen Nordsternordens ernannt.
    Anfang Januar 2002 erfährt sie, dass Astrid Lindgren schwer krank ist, schickt ihre Lieblingsblumen nach Stockholm: rosa Rosen. »Wie schön! Dann sag mal danke und grüß schön«, lässt Astrid ausrichten. Als Heidi Oetinger von Lindgrens Tod erfährt, ist sie wohl erstmals in ihrem Leben ratlos: »Was machen wir jetzt?« Nun – sie arbeitet weiter. Geht zu Buchmessen, bäckt ihre berühmte gedeckte Apfeltorte, fährtAuto (bis zu ihrem 90. Geburtstag!). Lieblingsgetränk: starker Kaffee (wie Pippi).
    Fest steht: Ohne den enormen Erfolg von Lindgrens Büchern in Deutschland hätten diese nie ihren globalen Siegeszug angetreten. Und Lindgrens Nachfolgerinnen wie Elfie Donnelly ( Bibi Blocksberg ), Cornelia Funke oder Joanne K. Rowling hätten es noch schwerer gehabt, sich durchzusetzen. Richtig, Jugendbuchautoren machen Millionenauflagen. Aber einen Nobelpreis? Doch nicht für diese kaum ernst zu nehmenden Schriftsteller!
    Pippi ist heutzutage mehr als nur ein Buch, Pippi ist Lebensgefühl, ist Einstellung. Wie Pippi sein heißt, individuell zu sein, da zu sein für jeden, der ein bisschen Mut oder Hilfe braucht. Und die Welt anders zu sehen – so wie moderne Frauen mit Pippi-Gen. Zum Beispiel Lena Meyer-Landrut, die Grand-Prix-Siegerin, die nicht nur eigene Auftrittsregeln, sondern auch eigene Sprache erschafft: »Verdammte Axt, ist das geil!« Pippi ruft, wenn sie überwältigt ist: »Spunk!« (und keiner weiß, was das ist). Oder wie Helene Hegemann, die für ihren Debütroman Axolotl Roadkill als Genie gefeiert wird, bevor rauskommt, dass sie, sorglos wie Pippi, Seemannsgarn erzählt.
    ----
    Mit 99 Jahren wird ihr klar: »Doch – ich bin wohl eine starke Frau«
----
    Kurz vor ihrem 100. Geburtstag tat Heidi Oetinger kund: »Doch – ich bin wohl eine starke Frau.« Mit Recht. Schließlich hat sie allein in Deutschland rund 7,5 Millionen Kinder dazu gebracht, darüber nachzudenken, wer stark ist und wer eher feige. Nicht jede Pippi wird eine starke Frau. Aber die Chancen, es zu werden, sind bei einem Mädchen, das sie für ihre verlorene Zwillingsschwester hält,

Weitere Kostenlose Bücher